Die Transplantation ist geschafft, die Klinikzeit liegt hinter dir – endlich darfst du nach Hause!
Die Erleichterung ist groß: Du darfst raus aus der Isolation, zurück in dein gewohntes Umfeld, umgeben von deinen Lieblingsmenschen, vertrauten Dingen, frischer Luft und endlich wieder Freiheit.
Kein Wunder, dass du am liebsten direkt in dein „normales“ Leben zurückspringen möchtest. Genau hier liegt aber eine oft unterschätzte Gefahr. Gerade das erste Jahr nach der Transplantation gilt als die „kritische Zeit“. Denn dein Immunsystem ist noch lange nicht wieder so funktionsfähig wie vor der Erkrankung, und deine Ärzte haben dir bestimmt viele Verhaltensregeln mit auf den Weg gegeben. Dass es problematisch ist, diese zu ignorieren oder zu vergessen, das habe ich selbst erlebt. Drei häufige Fehler, die nach der Stammzelltransplantation vorkommen können, sind mir tatsächlich passiert.
Damit du besser vorbereitet bist, teile ich sie hier mit dir:
Fehler Nr. 1: Die Keimfreiheit unterschätzen
Inhaltsverzeichnis
Warum Hygiene auf einmal lebenswichtig ist

Hygiene und Ernährung sind die wichtigsten Faktoren, bei denen du die Keimfreiheit beachten sollst.
Wie habe ich das bewältigt?
Ein paar Tage, bevor ich nach Hause kam, hat mein Mann eine Putzkolonne durch unser Haus gejagt. Das gab uns Sicherheit, alle gefährlichen Keime zunächst einmal verbannt zu haben. Auch im Folgenden haben wir immer wieder für professionelle Reinigung gesorgt.
Die Keimfreiheit bei der Ernährung war eher ein Problem für mich. Ich hatte die Listen für die erlaubten Nahrungsmittel, die ich in der Klinik bekommen hatte, ausgedruckt in der Küche liegen.
Weil ich lange Zeit zu schwach war, um mich um das Essen für unsere ganze Familie zu kümmern, kam meine Schwiegermutter ins Haus und bekochte uns. Wir waren ihr sehr dankbar dafür. Es tat sehr gut, dass sie sich wochenlang Zeit nahm, in dieser schwierigen Situation auszuhelfen.
Eines Tages beobachtete mein Mann, wie seine Mutter das Mittagessen zubereitete und es kam zu einem großen Krach zwischen den beiden. Sie rührte in der Gemüsepfanne und probierte immer wieder durch Ablecken des Kochlöffels den Geschmack.
Es war ihr nicht bewusst, dass diese Art des Abschmeckens nicht mit den Regeln der Keimfreiheit übereinstimmte.
Es war nicht unbedingt ein direkter zeitlicher Zusammenhang zu erkennen, aber in dieser Zeit habe ich eine schwere Speicheldrüseninfektion bekommen. Diese war sehr schmerzhaft und zwang mich, zwei Wochen nach meiner Entlassung, erneut in die Klinik zu gehen. Mein Arzt hat glücklicherweise schnell ein wirksames Antibiotikum gefunden, was den Infekt innerhalb von Stunden kontrollierte.
Wenn du mehr über die keimfreie Ernährung nach einer Stammzelltransplantation erfahren möchtest, schaue dir hier die Tipps mit meiner Ernährungsberaterin an.
Fazit zu Fehler 1
Zuhause fühlt sich schnell alles wieder normal an – aber schnell vergisst man dabei die Regeln der Keimfreiheit. Besonders in der Küche gibt es sehr viel zu beachten: Saubere Arbeitsflächen, regelmäßiges Leeren und Reinigen von Müllbehältern, keine offenen Essensreste, sorgfältiges Durchgaren aller Speisen – all das schützt dich vor Infektionen. Mein Tipp: Schreibe dir die wichtigsten Hygieneregeln auf und hänge sie gut sichtbar auf. So gewöhnst du dich schneller daran und bist weniger gefährdet für Infektionen dieser Art.
Fehler Nr. 2: Soziale Kontakte ohne Schutz – Infektionsgefahr!
Wie harmlose Begegnungen schnell zum Gesundheitsrisiko werden können.

Nach der Rückkehr nach Hause bist du immer noch sehr anfällig für Infektionen. Der häufigste Übertragungsweg für Bakterien und Viren ist der über die Hände. Wenn du Besuch von Einzelpersonen bekommst, kannst du sie schon an der Haustür auffordern, sich die Hände zu waschen und zu desinfizieren. Bitte sie, auf Umarmungen (und auf Händeschütteln, wenn du dich damit sicherer fühlst) zu verzichten. Es ist wichtig, persönliche Begegnungen in gut gelüfteten Räumen mit ausreichendem Abstand stattfinden zu lassen – wie ist es aber, wenn man zu einer Geburtstagsfeier oder ähnlichem eingeladen wird?
Genau das war der Fehler, den ich in den ersten Jahren nach der Transplantation wiederholt gemacht habe. Durch die lange Isolation zuvor brannte ich förmlich darauf, liebe Menschen aus meinem Freundeskreis wieder zu treffen. Genauso wollte ich das Leben wieder feiern, immerhin hatte ich eine schwere Zeit hinter mich gebracht.
So habe ich mich bei Einladungen nicht zurückgehalten und habe freudig zugesagt und mitgefeiert.
Die Konsequenz war leider deutlich: Besonders bei Veranstaltungen im Winter bezahlte ich meinen Einsatz drei Tage danach mit Erkältungen, grippalen Infekten, Magen-Darm Infektionen. Alles Infekte, die ein gesunder Mensch relativ schnell übersteht. Nach einer Stammzelltransplantation verlaufen harmlose Infektionen jedoch meistens heftiger und dauern viel länger.
Was habe ich aus dem Fehler gelernt?
Interessanterweise lernte ich sehr spät daraus. Durch den Rat meines Mannes, der mich nicht länger krank im Bett erleben wollte, bastelte ich mir ein kleines Schild „Bitte nicht umarmen“, welches ich mir an die Jacke heftet. Es dauerte mehrere Jahre, bis ich eine gute Strategie für meine sozialen Kontakte entwickelt hatte:
Im Winter fragte ich per Whats App in die Gruppe, ob jemand erkältet sei. Wenn ja, blieb ich der Gesellschaft fern, besonders, wenn ich kurz vor einem Urlaub oder anderen wichtigen Verpflichtungen und Erlebnissen stand, bei denen ich nicht krank sein wollte. Zusätzlich erhielt ich einmal im Monat in meiner Klinik Infusionen mit Immunglobulinen, die mich zusätzlich vor Infekten schützten. (Ein Dank an meine Ärzte in Düsseldorf, die mir immer noch, nach über zehn Jahren, diese hilfreiche Infusion verschreiben).
Im Sommer war das Risiko oft minimiert dadurch, dass ich Menschen im Freien traf. Außerdem gab es in der Zeit nicht so viele Krankheitserreger.
Mein Fazit zu Fehler 2
Auch wenn es schwerfällt – das Risiko für Infektionen besteht noch Monate, Jahre nach einer Stammzelltransplantation. Es ist sehr wichtig, sich dessen bewusst zu sein, denn nur du allein bezahlst den Preis für Unachtsamkeit, nicht die Menschen, die dich anstecken. Im Laufe der Zeit kannst du aber mit Vorsicht, Offenheit und Schutzmaßnahmen an vielem sozialen Leben wieder teilnehmen – und es genießen!
Fehler Nr. 3: Zu früh zurück in den Arbeits-Alltag
Warum „sich stark fühlen“ nicht bedeutet, schon wieder leistungsfähig zu sein.

Sobald man zuhause wieder in den Alltag angekommen ist und sich langsam wieder stärker und besser fühlt, ist die Motivation groß, schnell wieder normal zu leben und auch zu arbeiten. Der Körper ist aber noch Monate nach der Transplantation geschwächt und das Immunsystem arbeitet nicht perfekt, besonders unter Immunsuppression. Kommt Belastung, Zeitdruck oder Stress dazu, ist das Risiko für Infektionen sofort wieder größer. Deshalb sollte man den Zeitpunkt und die Art des Wieder Einstieges sowohl mit den Ärzten als auch mit den Kollegen und Vorgesetzten im Job abstimmen.
Auf meine Frage vor der Transplantation, wann ich wohl wieder normal arbeiten könnte, antworteten die Ärzte, dass ich mit einem Jahr Abwesenheit im Job rechnen müsste. Durch meine GvHD und nachfolgende Komplikationen war ich jedoch länger eingeschränkt. Erst nach zwei Jahren fühlte ich mich bereit für einen Wiedereinstieg in den Job. Dank des „Hamburger Modells“ konnte ich mit wenigen Stunden und flexiblen Arbeitszeiten starten.
Es ging allerdings nicht lange gut. Ich achtete auf die Warnsignale meines Körpers (Erschöpfung, Niedergeschlagenheit, Sehnsucht nach Ruhe) und bat ein halbes Jahr später noch einmal um eine Auszeit. Wie gut, dass ich seit vielen Jahren in meinem Beruf war und einen verlässlichen Chef hatte, der sofort einverstanden war: Hauptsache, ich käme, sobald ich mich stärker fühlte, zurück.
Ein zweiter Anlauf für meine Arbeit
Der zweite Wiedereinstieg, gelang deutlich besser: Ich arbeitete für zwei Jahre in meinem vertrauten Umfeld in 20 Stunden pro Woche. Dann änderte sich jedoch meine Therapie, und ich musste alle zwei Wochen für zwei Tage stationär ins Krankenhaus zur ECP (extracorporalen Photophorese). Ich war ratlos. In einem Coaching Gespräch mit meiner langjährigen Ernährungsberaterin, brachte sie mich auf die Lösung, auf die ich selbst nicht gekommen wäre. Ich reduzierte meine Wochenstunden für ein Jahr von 20 auf 10. Mit dieser Reduktion konnte ich die Anforderungen meiner Arbeit und die zeitaufwändige Therapie in der Klinik miteinander vereinbaren. Ich bin meiner Beraterin heute noch für diesen pragmatischen Ratschlag dankbar.
Mein Fazit zu Fehler 3
Es ist wichtig, auf die eigenen Bedürfnisse und Signale des Körpers zu hören, und sich selbst nicht unter Druck setzen zu lassen. Auch wenn man mental motiviert ist, seinen Platz in der Arbeitswelt wieder einzunehmen, ist der Körper nach einer Stammzelltransplantation mehr beeinträchtigt, als zum Beispiel nach einer Operation. Wenn der Weg zurück ins Berufsleben nicht so geradlinig verläuft wie bei mir, ist Offenheit und Transpararenz in der Kommunikation mit dem Arbeitgeber enorm wichtig. Genauso wichtig finde ich jedoch die Suche nach flexiblen Lösungen und unorthodoxen Möglichkeiten. Hier können externe Berater sehr helfen.

In diesem Artikel habe ich drei häufige Fehler aufgezeigt, die nach einer Stammzelltransplantation vorkommen können. Ich selbst habe vieles falsch gemacht, aber trotzdem daraus gelernt und – ja, auch ein bisschen Glück gehabt.
Welche Fehler sind dir bewusst geworden nach deiner Stammzelltransplantation? Habe ich einen Bereich vergessen, den du hier gerne erwähnen möchtest? Dann schreibe es mir gerne in die Kommentare!