Jeder immunsupprimierte Mensch ist sich seines schwachen Immunsystems bewusst. Patienten nach einer Organ- oder Knochenmarktransplantation können immunsupprimiert sein, aber auch Patienten, die regelmäßig Cortison einnehmen. Und auch diejenigen, die mit einer Chemotherapie behandelt werden.
Mittlerweile gehören wir, also alle immungeschwächten Patienten zu denen, die in der Priorisierung für die Corona-Impfung vorne stehen. Viele von uns, so wie ich, sind vielleicht heute schon geimpft. Wer aber sagt mir, dass die Impfung, die ja auf dem Prinzip einer starken Immunantwort gegen SARS-CoV2 basiert, auch bei mir funktioniert? Gibt es dafür Hinweise oder Beweise? Und wann tritt ein möglicher Impfschutz für mich ein, schon nach der ersten Impfung oder erst, wenn ich das zweite Mal geimpft worden bin?
Diese Fragen gingen mir in den letzten Wochen durch den Kopf und in vor zwei Tagen habe ich eine Antwort darauf gefunden. Diese möchte ich heute mit dir teilen. Dieser Blogartikel entsteht während der #Blognacht, in der wir zu mehreren Bloggern einen ganzen Abend an einem Blogartikel schreiben. Die liebe Anna Koschinski hat die Blognacht ins Leben gerufen.
Wie funktioniert eigentlich eine Impfung?
Inhaltsverzeichnis
Meinen Schülern habe ich das Prinzip der Impfung neulich im Biologie Unterricht erklärt. Das Ziel der aktiven Impfung ist der Aufbau eines langfristig wirksamen Schutzes gegen einen Infektionserreger. Dieser Schutz ist vergleichbar mit der Immunität, die beim Durchlaufen der jeweiligen Infektionskrankheit gegenüber diesem Erreger erworben wird. Und diese Immunität basiert auf einer Reaktion des eigenen Immunsystems, bestehend aus der Bildung von Antikörpern und von Immunzellen.
Das klingt schon recht komplex, und jetzt könnte es noch wissenschaftlicher werden. Ich könnte hier die gesamte Immunreaktion an Schaubildern mit Blutzellen aufzeigen. Aber keine Sorge, ich erspare dir die Details, du brauchst eigentlich nur vier Dinge zu wissen, um die Immunreaktion unter einer Impfung zu verstehen.
Für eine Immunreaktion sind wichtig: Antikörper, T-Helferzellen und Plasmazellen
- Die wichtige Immunreaktion für eine Impfung findet im sogenannten spezifischen Immunsystem statt. Spezifisch bedeutet, hier wird die Abwehr gezielt auf den einen betrachteten Erreger aufgebaut.
- Wichtige Zellen im spezifischen Immunsystem sind die sogenannten T- und die B- Lymphozyten.
- Bei einer Immunreaktion führen verschiedene (hier nicht betrachtete) Faktoren dazu, dass aus den T-Lymphozyten sogenannte T-Helferzellen werden (sie entwickeln sich zu diesen). Und aus den B-Lymphozyten entstehen die sogenannte Plasmazellen.
- Diese Plasmazellen sind die einzigen Zellen in deinem Körper, die in der Lage sind, Antikörper zu bilden. Diese Antikörper sind spezifisch passend zum Antigen, den Erreger oder Bestandteile des Erregers der Krankheit.
Wo passt denn nun der Impfstoff in dieses Schema?
Das ist ganz einfach, denn der Impfstoff gehört ganz an den Anfang der Reaktion: Erreger- Entwicklung der Zellen zu Plasmazellen – Antikörper.
Der Impfstoff ist sozusagen der Krankheitserreger „zum Üben“.
Ich finde diesen Satz wahnsinnig gut. Denn er erklärt, dass der Impfstoff den Erreger simuliert, daraufhin das Immunsystem reagiert und das Ergebnis am Ende spezifische Antikörper in meinem Körper sind, die den wahren Erreger beim nächsten Eintreffen in meinem Körper erkennen. Und unschädlich machen kann.
Wenn du nun verstanden hast, dass für die Wirkung der Impfung die Bildung von Immunzellen wie T-Helferzellen und Plasmazellen und nachfolgend Antikörpern relevant ist, kannst verstehen, dass ich mich gefragt habe, ob die Impfung auch bei immunsupprimierten funktioniert. Immunsuppressive Medikamente haben verschiedene Wirkmechanismen, auf jeden Fall unterdrücken sie genau die Immunreaktion, die oben beschrieben ist und erwünscht für eine Impfung ist. Ich bekomme seit 9 Jahren Immunsuppressiva. Das Cortison habe ich zwar im Februar abgesetzt, aber ich nehme noch Jakavi®, ein recht starkes Immunsuppressivum zur Unterdrückung meiner chronischen GvDH.
Die Impfung gegen Corona von immunsupprimierten Patienten ist seit längerem von der deutschen Transplantations-Gesellschaft empfohlen worden. Vor zwei Monaten, Anfang März erhielt ich den lange ersehnten Anruf der Stadt Aachen, dass für mich ein Impftermin vorgesehen war. Ich wurde mit BioNTech Impfstoff geimpft, der eigentlich richtig Corminaty® heißt, was mich ein wenig an eine Figur aus der Sherlock Holmes Serie erinnert.
Nach der Impfung achtete ich sehr darauf, ob ich eine Reaktion meines Körpers spürte. Mein rechter Arm schwoll über Nacht stark an und den nächsten Tag hätte ich am liebsten komplett verschlafen, so müde war ich. Prima, dachte ich, eine Reaktion, somit eine Induktion der Immunreaktion.
Ich berichtete meinem Arzt in der Uniklinik von meiner Impfung und er bat mich, vier Wochen nach der ersten und später auch noch einmal vier Wochen nach der zweiten Impfung in die Klinik zu kommen. Er wollte bei diesem Termin die Antikörper in meinem Blut bestimmen, was mich selbst auch sehr interessierte.
Diese Bestimmung der Antikörper war von großem Interesse für die Ärzte auf der onkologischen Station, denn in den vorliegenden klinischen Studien von BioNTech hat es nur sehr wenige Patienten mit einem geschwächten Immunsystem gegeben. Insofern ist die Datenlage für uns Immunsupprimierte recht dünn. Trotzdem, natürlich war der Impfstoff zugelassen und auch für uns freigegeben worden.
Meine zweite Impfung erfolgte am 7. April, drei Wochen nach der ersten, erneut mit Corminaty®.
Ich zeige Euch nun hier den Befund meiner Laborwerte vier Wochen nach der zweiten Impfung.
In der 6. Spalte findest du den Wert für die Antikörper 4 Wochen nach der ersten Impfung, daneben den für die Antikörper nach der zweiten Impfung.
Als mein Arzt mir die Werte ausdruckte, sah ich ein Lächeln über sein besorgtes Gesicht huschen. Gefragt, was er da sah, zeigte er mir die beiden Werte und kringelte den ersten rot ein. Die Zahl <0,4 sagte deutlich aus, dass 4 Wochen nach meiner Erstimpfung keinerlei Antikörper gegen SARS CoV2 nachzuweisen waren.
Denselben Zeitraum nach der zweiten Impfung sah die Sache schon ganz anders aus. Ein Wert von 96,8 ist ein guter Wert, die Einheit ist U/ml, das heißt Unit pro Milliliter.
Wir beide, mein Arzt und ich sahen uns erleichtert an. Ich habe Antikörper gegen das Coronavirus im Blut.
Das heißt, dass ich, trotz starker Immunsuppression eine starke Immunantwort entwickelt habe. Die Impfung hat bei mir gewirkt.
Zum Vergleich: BioNTech berichtete über Antikörper Werte 28 Tage nach Impfung mit Corminaty in normalen (nicht immunsupprimierten Patienten) von 168 bzw. 267, je nach Dosierung des Impfstoffes.
Ich weiß nicht, ob die Dosierung bei meiner Impfung genau vergleichbar ist, auf jeden Fall liegen alle diese Werte verglichen mit meinem in der gleichen Größenordnung.
Sind diese Ergebnisse jetzt übertragbar auf andere Patienten mit Immunsuppression?
Es gibt einige wissenschaftliche Daten, dass die Wirksamkeit einer Impfung gegen SARS-CoV-2 durch langjährig eingenommene Immunsuppression deutlich abschwächt ist. So wurden nur in einem Bruchteil der untersuchten Patienten nach Organtransplantation Antikörper gegen SARS-CoV 2 nachgewiesen.
Da die Datenlage aber für immunsupprimierte Patienten sehr limitiert ist, sind Daten an Einzelfällen sehr wichtig und aufschlussreich.
Und ich bin eine von diesen Patienten!
Die Daten von mir zeigen allerdings deutlich, dass meine Immunreaktion nach der ersten Impfung noch unzureichend war. Für mich heißt das, immer wieder nachprüfen lassen, ob noch Antikörper im Serum zu messen sind und gegebenenfalls meinen Arzt um eine Auffrischungsimpfung zu bitten. Die ist in jedem Fall sowieso bei einem Totimpfstoff, wie alle Corona-Impfstoffe es ja sind, vorgesehen.
Ich möchte hier auch noch hinzufügen, dass wir in den Blutwerten vor drei Tagen ja nur die Antikörper gesehen haben. Die Bildung von T-Helferzellen oder von Plasmazellen ist nicht gemessen worden, und ich muss gestehen, ich weiß nicht, ob man diese so einfach nachweisen kann. Es ist aber anzunehmen, dass diese auf jeden Fall aktiviert worden sind. BioNTech hat in ihren geimpften Probanden stets nicht nur neutralisierende Antikörper sondern auch T-Zell Antworten gemessen und somit die vielfältigkeit der Immunantwort gezeigt.
Was ist nun mein Fazit?
Ich habe nach der zweiten Impfung eine angemessene Zahl von Antikörpern gegen SARS CoV2 im Blut. Ich bin ein Einzelfall. Eine Patientin mit einer langjährigen Immunsuppression.
Aber ich bin ein positives Beispiel dafür, dass auch bei einer Immunsuppression Antikörper gebildet worden sind.
Die Zahlenwerte deuten auf schwächere, aber dennoch ausreichende Antikörpermengen hin.
Das Fehlen der Antikörper zu einem definierten Zeitpunkt von 4 Wochen nach der ersten Impfung zeigt, wie wichtig es für uns Immunsupprimierte ist, den Impfschutz erst nach der zweiten Impfung als vollständig anzusehen.
Deshalb sollten wir, auch wenn nicht in allen Patienten wie bei mir Antikörper bestimmt werden können, davon ausgehen, dass wir uns zwischen den beiden Impfungen noch genauso gegen das Coronavirus schützen müssen wie zuvor.
Mein persönliches Fazit ist, dass ich mich auch weiterhin auf Distanz zu anderen Menschen halten werde. Ich werde immer noch nicht anderen, familienfremden Menschen um den Hals fallen. Ich werde auch weiterhin noch mit Mundschutz aus dem Haus gehen – nicht nur, weil es so Vorschrift ist, sondern weil ich mich nur damit sicher fühle.
Aber ich werde mich weiter für Ergebnisse zur Corona Impfung in immunsupprimierten Menschen interessieren. Wenn ich neues erfahre, schreibe ich es hier auf meinem Blog.
Wie sieht es bei dir aus? Bist du schon geimpft? Hast du vielleicht auch Erfahrung mit Antikörper Bestimmung bei dir machen können?
Ich bin sehr neugierig, von dir dazu etwas zu erfahren – schreibe es mir doch gerne in den Kommentaren.
Hallo Annette,
danke für den informativen Artikel und vor allen Dingen, das Schreiben aus eigener Erfahrung.
Mein Stiefvater durchläuft einer Dauerchemotherapie und es wurde ihm erklärt, dass er wahrscheinlich auch eine geringer Antikörperdichte produzieren könne.
Diese Woche hatte er seine zweite Impfung mit Moderna. Eventuell werden Antikörper bestimmt.
Liebe Grüße Carmen.
Hallo Carmen, vielen Dank für Deinen Kommentar! Ich wünsche Deinem Stiefvater alles Gute – und berichte gerne noch einmal, was die Antikörper-Messung ergeben hat. Diese Ergebnisse sind hochaktuell und wirklich selten. Liebe Grüße, Annette
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