Interview mit einer Patientin: Kathleen Zürner

Ich freue mich heute besonders, eine Mit-Patientin begrüßen zu können. Kathleen Zürner ist 35 Jahre alt, sie ist seit 2013 mit mir in der Patientengruppe zum Thema Knochenmarktransplantation in Aachen. Sie hat kurze Zeit nach deren Gründung die Koordination der Gruppe übernommen. Noch heute treffen wir uns alle regelmäßig und tauschen uns aus.

Ich habe mit Kathleen ein Interview geführt und ihr Fragen zu Ihrer Stammzellentransplantation gestellt.

Knochenmarktransplantation Erfahrung

Liebe Kathleen, erzählst Du uns, wie und wann Du Deine Diagnose erfahren hast?

Im Juni 2010 erhielt ich die Diagnose ALL (Akute Lymphatische Leukämie) mit Vermutung eines Teil-Rezidivs aufgrund einer ALL im Jahre 1990. Die Symptome waren Müdigkeit, geschwollene Lymphknoten an diversen Stellen, Wassereinlagerungen zwischen den Organen, Gewichtszunahme). Da die ALL schon weit fortgeschritten war, musste die Therapie sofort beginnen. Noch am gleichen Tag meiner Aufnahme wurde eine Knochenmarkpunktion durchgeführt.

Wovor hattest Du vor der Transplantation am meisten Angst?

Ich habe mich am meisten gefragt, was kommt auf mich zu und wie kommen meine Familie und mein damaliger Partner damit klar.

Wie hast Du Dich nach der Diagnose gefühlt?

Nach meiner Diagnose war ich am Boden zerstört. Man hat sprichwörtlich das Gefühl, dass einem der Boden unter den Füßen weg gezogen wird.

Was wurde bezüglich eines Spenders für Dich beschlossen?

Direkt im Anschluss an die Diagnose (ALL, Rezidiv) wurde beschlossen, dass ich eine Stammzellentransplantation (SZT) benötige, um im größeren Maße auszuschließen, dass sich nach der Chemotherapie eine erneute ALL bildet.

Wie lange hat es gedauert, bis ein Spender gefunden wurde?

Die Essener Klinik teilte mir bei Aufnahme im Sept/ Okt. 2010 mit, dass Sie einen geeigneten Spender für mich hatten. Insgesamt hat die Suche danach ca. 2 bis 3 Monate gedauert.

Wann und wie hast Du Dich für eine Klinik entschieden? Welche war es?

Die Chemotherapie-Behandlung zur Bekämpfung der ALL wurde stationär im Aachener Universitätsklinikum durchgeführt. Dort habe ich mich, nach ausführlicher Beratung durch meine Ärzte, für die Uniklinik in Essen entschieden. Dort wurde ich innerhalb von 2 bis 3 Wochen aufgenommen.

Universitätsklinikum Aachen

Eine wichtige Frage, wie ich finde: Wie hast Du Dich vorbereitet?

Als Vorbereitung hatte man von der Uniklinik Essen eine ausführliche Mappe erhalten, mit allen wichtigen Inhalten, wie man sich vor, während und nach der SZT verhalten soll (Ernährung, Bewegung, Hygiene, Schutz, Risiken).

Wie hat Deine Familie auf Deine Transplantation reagiert?

Meine Familie und meine Freunde hat mich immer unterstützt und mir in jeder Situation beigestanden.

Wusstest Du vorher, wie riskant die Transplantation ist?

Da mir schon in der UKA eindringlich klar gemacht wurde, wie riskant eine SZT sein kann, hatte ich mich für das Klinikum in Essen entschieden, da hier strenge Hygienevorschriften gelten. Über die Überlebenschancen habe ich mir weniger Gedanken gemacht.

Wie lange war die Zeit für Dich in der Klinik?

Die Konditionierung während der Aufnahme im UKE war anstrengend und auch mit einigen Nebenwirkungen verbunden, aber insgesamt war es vor allem das Warten darauf, endlich wieder nach Hause zu kommen. Sechs Wochen an Schläuchen in einem 10 bis 15 Quadratmeter großen Raum zu verbringen, kommt einer Zelle im Gefängnis wahrscheinlich sehr nah.

Womit hast du die meiste Zeit dort verbracht?

Meistens habe ich mir die Zeit mit lesen, schlafen, Fernsehen und leichtem Sport vertrieben.

Wie hast Du Deinen Besuch geregelt in der Klinik?

Ich hatte ein Einzelzimmer und keinen Kontakt zu anderen Patienten. Anfangs haben mich mein damaliger Partner, meine Eltern und Schwiegereltern ein- bis zweimal pro Woche besucht. Im Laufe meines Aufenthalts haben wir immer mehr über Skype telefoniert. Der Besuch bei mir im Zimmer war zwar möglich, aber mit sehr viel Aufwand verbunden.

Wie war die Situation der Transplantation?

Die Stammzellentransplantation ist unspektakulär und wird verabreicht wie eine Bluttransfusion.

Gab es Komplikationen oder Infekte im Krankenhaus?

Nein, einen Infekt hatte ich nicht, allerdings durch die Ganzkörperbestrahlung und die vorherige Konditionierung (mit Chemo) ein paar Entzündungen im Mund und Intimbereich.

Wie war es für Dich, nach Hause zu kommen?

Als ich wieder Zuhause war, hab ich mich zuerst ganz gut gefühlt. Nach 7-9 Monaten zeigten sich starke Reaktionen einer GvHD (Graft-versus-Host-Reaktion).

Wie lange hast Du bewusst keimfrei gelebt (Ernährung und Hygiene wie Händewaschen)?

Die intensive „keimfreie“ Zeit betrug ca.1 bis 2 Jahre. Aber auch heute achte ich darauf mir regelmäßig die Hände zu waschen und reinige unter anderem meinen Bürotisch regelmäßig mit Hygienetüchern.

Wie war Deine Therapie danach?

Folgende Medikamente musste ich bisher im Zeitraum von 10 Jahren einnehmen: Ciclosporin (ca. 2 – 3 Jahre), Kortison (über mehrere Jahre) und Tacrolimus.(seit 4 Jahren, hat sehr wenig Nebenwirkungen).

Erinnerst Du Dich noch, wie lange Du Dich danach beeinträchtigt gefühlt hast?

Ca. 5 bis 7 Jahre habe ich mich stark beeinträchtigt gefühlt. Leichte Beeinträchtigungen sind geblieben (Augen, Gelenke, Organe, Haut).

Gab es Veränderungen für Dich bei der Arbeit?

Nach der Wiedereingliederung hatte ich die Möglichkeit, die passende Stelle auf Grundlage meiner Schwerbehinderung von 80% zu wählen.

Mit welchen Problemen der GvHD hattest Du besonders zu kämpfen?

Meine GvHD betraf hauptsächlich die Schleimhäute, meine Leberwerte und die Haut.

Hattest Du Angst gehabt danach?

Ich war meistens nur sehr erschöpft, Angstzustände hatte ich bis dahin kaum bis wenig.

Wann hattest Du den ersten Kontakt mit anderen Patienten?

Den ersten Kontakt mit anderen Patienten hatte ich 2013. Meine Ärztin aus der Onkologie hat die Selbsthilfegruppe, den heutigen Patientenstammtisch ins Leben gerufen.

Mit welchen Gefühlen bist Du damals zur Selbsthilfegruppe gegangen?

Mit gemischten Gefühlen! Man musste sich erst mal aneinander gewöhnen. Alle hatten unterschiedliche Erfahrungen gemacht und befanden sich in verschiedenen Lebensabschnitten und Situationen.

Was möchtest Du anderen Ersterkrankten mitgeben?

Es hilft viel, darüber zu reden und sich mit anderen Patienten und Angehörigen auszutauschen.

Wie geht es Dir aktuell gesundheitlich?

Aktuell geht es mir sehr gut. Ich muss kaum noch Medikamente nehmen und mache regelmäßig Sport.

Liebe Kathleen, ich danke Dir ganz herzlich für Deine Offenheit und Sorgfalt, meine Fragen zur Transplantation zu beantworten! Ich wünsche Dir weiterhin alles Gute, und besonders in diesen Zeiten: Bleib gesund!

3 Kommentare zu „Interview mit einer Patientin: Kathleen Zürner“

    1. Danke, Ellen, ja, genau das habe ich immer so empfunden. Wir treffen uns in dieser Gruppe mittlerweile alle zwei Monate zu einem Stammtisch, und tauschen uns aus.

  1. Pingback: Gesundwerden nach Krebs – das ist wie Sauerteig - Knochenmarktransplantation-light

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