Eine Coronainfektion nach einer Stammzelltransplantation ist etwas, wovor viele sich fürchten. Mit einem geschwächten Immunsystem ist man nicht nur gefährdet, sich das Virus zu einzufangen, sondern auch für einen schweren Verlauf. Die aktuelle Variante Omikron ist zwar bekannt für milde Verläufe. Wie aber wirkt sich Omikron bei Patienten nach einer Stammzelltransplantation aus? Bleibt der Krankheitsverlauf auch bei einer Immunsuppression milde?
Auch ich habe mir in den letzten Monaten habe oft ausgemalt, wie es wohl ist, wenn ich mit meinem unterdrückten Immunsystem Corona bekäme. Bekäme ich die gefürchteten Atembeschwerden? Werde ich Fieber bekommen? Und muss ich dann in eine Klinik?
Nun ist es tatsächlich passiert – letzte Woche habe ich mich mit Corona infiziert, mein Test war positiv.
Während ich schon vor über einem Jahr in einem Blogartikel über den Corona Krankheitsverlauf in einem Fall (damals noch ohne Impfung) berichtet habe, findet man bisher wenige Informationen über den Verlauf bei Risikopatienten mit einer Immunsuppression. Diese Lücke möchte ich nun schließen: Wie es mir in der letzten Woche ergangen ist, das berichte ich dir hier.
Erster Tag – Freitag
Inhaltsverzeichnis
Letzten Freitag bemerke ich, dass ich Schnupfen bekomme. Seit zwei Jahren übrigens das erste Mal. Die vielen Isolationsmaßnahmen, der Lockdown und meine eigene Vorsicht haben mich sehr lange davor bewahrt, mich zu erkälten. Es hat mich nicht gewundert an diesem Tag, denn meine Tochter hatte ja auch gerade Schnupfen. Bestimmt habe ich mich bei ihr angesteckt.
„Mache mal lieber einen Test“, fordert mein Mann mich vorsichtig auf. Gesagt, getan. Ich lasse den Teststreifen im Wohnzimmer liegen und gehe wieder an meinen Schreibtisch. Er kommt mir sofort hinterher: „Du, das ist aber so etwas von positiv…“
Tatsächlich – der Strich bei der vorgesehen Markierung ist schon nach einer Minute knallrot. Uuups! Ich fühle in mich hinein, und fühle: nix. Außer der verstopften Nase geht es mir gut.
Nach dem offiziellen Test in der Teststelle habe ich es Schwarz auf weiß: POSITIV.
Wo ich mich wohl angesteckt haben könnte?
Hm, vielleicht hier….?
Wahrscheinlich war das Coldplay Konzert drei Tage vorher ein großes Risiko, mich zu infizieren.
Aber es ist jetzt leider nicht mehr zu ändern, ich versuche mich an den Gedanken zu gewöhnen, mich nun ein paar Tage zu isolieren.
Mein Mann und ich organisieren in Windeseile unsere Isolation. Ich ziehe in ein eigenes Schlafzimmer, verwende das zweite Bad und bin froh darüber dass die Kinder in Urlaub sind. Dann schleppe ich meinen Computer und Zubehör in das alte Arbeitszimmer in der oberen Etage.
Die Maske ist von nun an griffbereit in meiner Jackentasche, In Gemeinschaftsräumen laufen wir beide nur noch mit Maske herum. Die Mahlzeiten nehmen wir getrennt ein.
Ich rufe die Personen an, die ich vor dem positiven Test getroffen habe und hoffe, dass ich hoffentlich nicht alle unwissentlich angesteckt habe….
An diesem Abend bin ich sehr früh sehr müde – das ist sonst ganz untypisch für mich. In dieser Nacht schlafe ich über 9 Stunden.
Zweiter Tag – Samstag
Von meinem Arzt in der Uniklinik, den ich nach meiner Infektion kontaktiert hatte, bekomme ich eine E-Mail, mich in die Klinik zu begeben, damit man mir ein Medikament geben könne.Da i ch mich auch an diesem Samstag-Morgen noch nicht richtig krank fühle, fahre ich selbst nach Düsseldorf und melde mich in der Notaufnahme. Ich lege der freundlichen Schwester die ausgedruckte Mail meines Arztes vor und erkläre, dass ich Patientin nach Stammzelltransplantation bin.
Ich werde äußerst freundlich und zügig behandelt, eine verhüllte Schwester holt mich persönlich ab und bringt mich auf die Covid-Station, wo ich in einem Isolierzimmer mit einem Bett bleiben soll. Niemand ist von meiner Infektion beunruhigt, keiner schimpft mit mir, dass ich alleine mit dem Auto hergefahren bin und alle haben Verständnis dafür, dass ich mich gemeldet habe und um Hilfe bitte. Ich werde ganz freundlich gefragt, ob ich über Nacht bleiben möchte – (Neiiiin….. das möchte ich nicht 😊)
Was dann folgt, sind eine ganze Reihe an Untersuchungen, ich werde an ein EKG gehängt, zweimal der furchtbare Rachenabstrich, ein Röntgenbild der Lunge und ein komplettes Blutbild wird gemacht. Danach soll ich eine Weile in meinem Isolations-Zimmer bleiben, denn für die Ergebnisse braucht es mindestens zwei Stunden. Wie dumm nur, dass in diesem Zimmer überhaupt kein Internet Empfang ist.
Ich bekomme nicht nur eine Wasserflasche ans Bett, sondern später auch noch ein komplettes Mittagessen. Ist ja wie im Hotel hier, ich bin begeistert.Nac h zwei Stunden kommt ein freundlicher Arzt mit dem Medikament, das mir gegen die Coronainfektion helfen soll.
Was ist das für ein Medikament gegen Corona?
Paxlovid® ist ein antivirales Mittel, das seit dem 25. Februar 2022 in Deutschland (und anderen EU-Ländern) für die Behandlung von Covid-19 Risikopatienten erhältlich ist. Das Präparat selbst besteht aus zwei Wirkstoffen, Nirmatrelvir und Ritonavir, in zwei verschiedenen Tabletten. Zweimal täglich sind drei Tabletten mit diesen beiden Wirkstoffen einzunehmen, das ganze über eine Dauer von 5 Tagen.
Wer darf Paxlovid bekommen?
Damit du Paxlovid verschrieben bekommst, müssen folgende Risikofaktoren für Covid-19 vorliegen: hohes Alter, oder: Adipositas, Diabetes, Immundefizienz- oder -suppression, chronische Niereninsuffizienz, Krebs sowie Herz- und Lungenerkrankungen.
Vor der Verschreibung sind verschiedene Untersuchungen erforderlich, so dass Paxlovid lediglich in Kliniken erhältlich ist.
Es ist sehr wichtig, dass diese Einnahme frühzeitig erfolgt. Insofern war ich froh, früh die Empfehlung von meinem Arzt zu erhalten und Paxlovid bereits am zweiten Tag meiner infektion nehmen zu können.
Nach insgesamt 4 Stunden darf ich meine Medikamentenschachtel einpacken und selber nach Hause fahren. Ich nehme die Tabletten das erste Mal zum Abendessen. Ich bemerke es sehr schnell, es macht einen bitteren Geschmack im Mund. Dieser bleibt leider die ganze Zeit, und verringert sich nur, wenn ich etwas esse oder trinke. Na denn, dann haben wir halt 5 Tage lang Bittermandel Gefühl im Mund. Es gibt schlimmeres, beschließe ich und vertraue auf die Wirkung von Paxlovid.
Dritter Tag – Sonntag
Nachdem mein Mann den Samstagabend mit Husten verbracht hat, ist er an diesem morgen auch positiv. Nun können wir die Isolation aufheben – hat auch etwas Positives für sich. Er legt sich ins Bett und bekommt Fieber – ich dagegen bin den ganzen Tag auf den Beinen. Was macht man nur alles, wenn man isoliert mit Corona zuhause ist? Richtig – aufräumen. Schon lange vor mir hergeschoben, jetzt gibt es keine Ausrede mehr. Ich habe ja Zeit 😊
Manchmal merke ich, wie müde ich bin und lege mich eine halbe Stunde aufs Bett. Ansonsten geht es mir gut. Abends schlafe ich sehr schnell ein – ein wunderbarer Effekt dieser Krankheit! Während ich mich sonst stundenlang von links nach rechts drehe, und Einschlafstörungen haben, empfinde ich die Erschöpfung fast als angenehm.
Vierter Tag – Montag
Mein Mann hat Fieber und bleibt den ganzen Tag im Bett. Es hat ihn tatsächlich richtig erwischt.
So wäre es mir vielleicht auch ergangen, wenn ich mein Paxlovid nicht hätte…
Es ist mittlerweile ein schöner, warmer Sommertag, ich verbringe die Zeit im Garten und pflücke alle Johannisbeeren, oder auf der Terrasse und lese endlich das Buch zu ende, was schon lange auf meinem Nachttisch lag.
Fünfter Tag – Dienstag
Mein Mann steht morgens auf und versucht zu arbeiten. Nach zwei Stunden legt er sich wieder ins Bett. Erst am späten Nachmittag scheint es ihm besser zu gehen. Der Husten schlaucht ihn sehr.
Ich habe mittlerweile keinen Schnupfen mehr. Wie schon am Vortag, habe ich sogar Energie, Dinge im Haus zu erledigen. Abends bleibe ich länger auf. Husten oder Atembeschwerden habe ich keine.
Die Ärzte haben mich gebeten, meine Immunsuppression unter Paxlovid auszusetzen. Das bedeutet, dass ich diese 5 Tage lang kein Jakavi nehme – die Tablette, die ich seit 5 Jahren in relativ hoher Dosis zur Unterdrückung meiner GvHD nehme.
Am Dienstag bemerke ich erste Wirkung der wieder aufkommenden GvHD. In meine Augen könnte ich flaschenweise Augentropfen schütten, die Haut beginnt zu jucken und reagiert empfindlich auf jegliche Sonneneinstrahlung, und die Mundschleimhaut meldet sich auch wieder. Aber: Es ist alles erträglich!
Das kann ich gut aushalten und vertraue darauf, am Freitag mit Jakavi wieder die Kontrolle über die GvHd zu übernehmen.
Sechster Tag – Mittwoch
Ich habe wieder sehr gut geschlafen, mehr als acht Stunden, ein Genuss! Mein Mann legt mir einen Selbsttest hin, den ich durchführe. Das wird noch viel zu früh sein, denke ich. Aber: Das Ergebnis ist Negativ. Es ist noch nicht mal ein Hauch von einem Strich auf der Skala zu sehen – Wahnsinn!
Dieses Ergebnis habe ich am nächsten Tag durch einen offziellen Test bestätigt. Es ist wahr: Ich habe meine Coronainfektion innerhalb von 6 Tagen komplett überstanden.
Die letzte Paxlovidtablette nehme ich am Donnerstagmorgen. Sehr dankbar stecke ich die leere Tablettenpackung ins Altpapier. Was für ein Segen, dass es dieses Medikament gibt!
Fazit
Ich bin immer noch völlig überrascht davon, was mir in dieser Woche passiert ist.
- Ich hatte eine Coronainfektion, die absolut milde verlaufen ist, mir bis auf den anfänglichen Schnupfen keine Symptome bescherte. Sie war nach 5 Tagen wieder abgeklungen und nicht mehr nachweisbar. Und das unter Immunsuppression!
- Die drei Impfungen, die ich bekommen habe, haben mich sicher vor einem dramatischen Verlauf geschützt. Allerdings ist die letzte schon neun Monate her und ich weiß nicht, wieviele Antikörper ich im Blut habe.
- Paxlovid hat mich vor einem schweren Krankheitsverlauf geschützt. Es hat sich als sehr wirksam herausgestellt und hat bei mir nur die eine unerwünschte Nebenwirkung (die Geschmacksveränderung) verursacht, ansonsten habe ich nichts bemerkt.
- Ich möchte daher allen Patienten, die zu den Hochrisikogruppen gehören, wie z.B. Patienten nach einer Stammzelltransplantation, dringend ans Herz legen, sich im Falle einer Infektion mit ihrem Arzt in Verbindung zu setzen, und nach Paxlovid zu fragen. Es ist ein kleiner Aufwand, es zu erhalten, aber es lohnt sich.
Wie ist es bei dir – hast du dich in den letzten Wochen auch mit Corona infiziert? Wie war dein Krankheitsverlauf? Schreibe mir doch gerne in die Kommentare, wie es dir ergangen ist.
Danke liebe Annette für den interessanten Beitrag . Ich bin noch erfolgreich negativ geblieben . Aber gut zu wissen das es da was gibt. Liebe Grüße Heike
Liebe Heike,
dann wünsche ich Dir von Herzen, dass du noch lange negativ bleibst. Pass gut auf dich auf! Herzliche Grüße, Annette
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