Jakavi – ein Wundermittel gegen GvHD? Erfahrungen und Tipps

Eine Graft-versus-Host-Disease (GvHD) ist eine häufige und ernsthafte Komplikation nach einer Stammzelltransplantation, bei der die fremden Zellen des Spenders den Körper des Empfängers angreifen. In den letzten Jahren wurde viel von Jakavi berichtet, wovon viele Ärzte sich gute Erfolge versprachen. Aber was ist Jakavi – ein Wundermittel gegen GvHD? In diesem Artikel möchte ich über meine Erfahrungen mit Jakavi® (der Wirkstoff heißt Ruxolitinib) berichten. Dieses Medikament ist seit 2022 zugelassen für die Behandlung von GvHD. Zu Beginn findest du eine leicht verständliche Übersicht der wissenschaftlichen Daten und der Historie dieses Medikaments. Wenn du mehr an persönlichen Erfahrungen interessiert bist, scrolle direkt herunter zu Teil 4.

Was ist Jakavi® (Ruxolitinib)?

(Im folgenden beschreibe ich Jakavi der Einfachheit halber ohne das Trademark-Zeichen ®.)

Das Medikament Jakavi gibt es seit August 2012. Es wurde von Novartis entwickelt und war zuerst zugelassen zur Behandlung von Erwachsenen mit einer Myelofibrose. Das ist eine seltene Erkrankung des Knochenmarks, das durch Bindegewebe verdrängt wird. Patienten mit Myelofibrose haben nachfolgend nicht mehr genügend Blutzellen.

2016 tauchten erste Berichte über die Behandlung von chronischer GvHD mit Jakavi auf. Die
Ärzte waren begeistert von ersten Erfolgen des Medikamentes
in kleinen Studien und Anwendungsbeobachtungen.

Einige Jahre später gab es genug Daten aus kontrollierten klinischen Studien. Diese führten dazu, dass der Hersteller die Zulassung (und damit die Erlaubnis) erhielt, dass Jakavi auch für die Behandlung von Patienten mit einer chronischen GvHD eingesetzt werden darf.

Wie wirkt Jakavi bei der GvHD? – Wirkmechanismus

Der Wirkmechanismus von Jakavi ist leider nicht hundertprozentig bekannt. Was man weiß, ist z.B. in der Patienteninformation wie folgt beschrieben:

Bei einer GvHD greifen bestimmte Zellen des Spenders die Organe und Zellen des Empfängers (= Patient, der transplantiert worden ist) an. Hier wirkt Jakavi, indem es bestimmte Enzyme (man nennt sie JAK1 und JAK 2) hemmt. Dadurch werden die Symptome der GvHD gelindert, was die Erkrankung verbessert.

GvHD der Haut
Eine GvHD ist eine Abstoßungsreaktion, die meist die Haut betrifft.

Wofür und wie wird Jakavi eingesetzt? Die Indikation GvHD

Die Geschichte hinter Jakavi

Bei Medikamenten ist es immer wichtig, sich die vorliegenden Daten aus klinischen Studien anzusehen. Solche Studien werden an einer hohen Zahl von Patienten durchgeführt, um die Wirksamkeit und die Verträglichkeit des Wirkstoffes sicher zu zeigen. Sie sind die Voraussetzung dafür, dass die Gesundheitsbehörden das Medikament nachfolgend überhaupt erst zulassen.

Bei Jakavi war es wirklich überraschend, dass dieser Wirkstoff, der in einer sehr kleinen (Nischen-) Indikation zugelassen war, auf Verdacht von Ärzten bei der GvHD eingesetzt wurde. Dabei sorgte er plötzlich für Furore, weil er so gut wirkte. Die Nachricht verbreitete sich in den Fachkreisen der Hämatologen und Onkologen sehr schnell und die Hoffnung für eine gute, einfach zu verabreichende Therapie bei der GvHD wuchs.

Klinische Studien zeigen die Wirksamkeit

Doch zuvor mussten mehr Daten vorgelegt werden, die in den Jahren 2015 bis 2020 in großen Studien beigebracht wurden (REACH Studien 1 bis 3.)

Die letzte dieser Studien brachte überzeugende Daten, dass Jakavi bei der Therapie von chronischer GvHD wirkt und wenig Nebenwirkungen zeigt. Diese Daten sind hier publiziert.

Ich möchte diese Daten kurz zusammenfassen, um die gute Wirksamkeit zu zeigen:
329 Patienten in dieser Studie wurden entweder mit Jakavi oder mit Placebo (ohne Wirkstoff) über 6 Monate, behandelt.
Fast 50 % der Patienten in der Jakavi Gruppe sprachen auf das Medikament an (Wirksamkeitsparameter), gegenüber nur 25 % in der Placebo Gruppe.

(Hierbei ist zu beachten, dass beide Gruppen die normale Therapie gegen die GvHD, (andere Immunsuppressiva) weiter verabreicht bekamen. So erklärt sich das auch ein Viertel der Patienten mit Placebo eine Verbesserung ihrer GvHD berichteten)

Deutliche Unterschiede wurden über lange Zeit bezüglich der Dauer des komplikationsfreien Überlebens gezeigt: 19 Monate für die Jakavi Gruppe gegenüber 6 Monaten.

Als Nebenwirkungen unter Jakavi wurden Anämie (Abnahme des Hämoglobingehaltes im Blut) sowie eine Thrombozytopenie (Abnahme der Blutplättchenzahl im Blut) beschrieben. Diese Studie konnte die Wirksamkeit und Sicherheit von Jakavi bei den Gesundheitsbehörden zeigen. Somit wurde 2022 das Medikament für die Behandlung einer GvHD, die unzureichend auf Kortikosteroide oder andere systemische Therapien anspricht, zugelassen.

Erfahrungen mit Jakavi bei GvHD – Was sagen die Patienten?

Meine Erfahrungen

Ich litt seit meiner Stammzelltransplantation unter einer starken GvHD der Haut. Drei Jahre lang versuchten meine Ärzte für mich die passende Therapie zu finden. Ich bekam verschiedene Immunsuppressiva wie Tacrolimus, Everolimus und zuletzt Hochdosis Cortison.

Tabletten gegen GvHD
Meine Tabletten zur Behandlung meiner GvHD

Die Cortison-Behandlung zeigte die beste Wirkung, sie sollte allerdings nicht über einen längeren Zeitraum dauern. 2014 bekam ich Monatelang eine ECP (extrakorporale Photophorese). Die Wirkung war mäßig bis kaum spürbar.

Mitte 2015 gab mein Arzt in der Klinik mir Jakavi als Therapieversuch. Er sagte, das Medikament hätte sich überraschenderweise in vielen Fällen der GvHD als sehr wirksam erwiesen, obwohl es nicht dafür zugelassen war. Mein Arzt sprach von einer 50 % Chance, dass Jakavi mir gut helfen könnte. Er war sich aber nicht sicher.

Zu dieser Zeit hatte ich nicht nur Hautverfärbungen, Sklerotisierungen im Rücken und Nackenbereich, sondern auch zwei große offene Hautstellen am Bein, die seit 3 Jahren, (wirklich so lange!), nicht heilten. Ich trug über mehrere Monate ein medizinisch spezielles Pflaster auf der Hüfte, durfte im Urlaub nicht ins Meer und musste mit enger Kleidung aufpassen. Die Hautstellen schmerzten sehr.

Ich fuhr mit den ersten Tabletten Jakavi in der Handtasche in Reha an die deutsche Ostsee, und begann in der Klinik die Tabletten zu nehmen.

Nach 5 Tagen schaute ich mir meine Haut unter dem Pflaster an und glaubte, meinen Augen nicht zu trauen. Die Wunden waren zugeheilt.

Du kannst dir sicher vorstellen, wie überrascht ich war, hatte ich mich schon fast an die offene, nässende Hautstelle gewöhnt und kannte den Anblick gesunder, geschlossener Haut am rechten Bein gar nicht mehr. Ich glaubte an ein kleines Wunder.

Dieses Erlebnis ist inzwischen 9 Jahre her. In den nachfolgenden Monaten verbesserte sich mein gesamtes Hautbild stetig durch die Behandlung.

Seit diesem Tag nehme ich täglich 20 mg Jakavi. Mithilfe dieser Medikamente konnte ich Stück für Stück das Cortison absetzen.  Seit letzten Januar habe ich auch Jakavi auf 1 x täglich 10 mg am Morgen reduziert.

Andere Patientenerfahrungen

In der Klinik, in der ich transplantiert wurde und seit 13 Jahren in der Nachsorge bin, wird Jakavi bei vielen Patienten eingesetzt. Das Medikament wird sozusagen „Second-line“ eingesetzt, also immer, wenn die Therapie mit cortison-Präparaten oder anderen Immunsuppressiva nicht ausreicht.

Ich konnte leider keine Zahlen aus meiner Klinik erfahren. Die Erfahrung der Ärzte spiegelt jedoch die Daten der REACH Studie wieder. Das bedeutet, dass 50 % der Patienten deutlich auf Jakavi ansprechen und eine Verbesserung und Stabilisierung ihrer GvHD berichten. Viele dieser Patienten in meiner Klinik nehmen Jakavi dauerhaft. Ich bin auch ein gutes Beispiel dafür. Es gilt: Je rechtzeitiger die GvHD mit Jakavi behandelt wird, desto besser sind die Ergebnisse.

Auch in Patientenforen stieß ich auch auf Jakavi-Berichte. In dem besonders aktiv besuchten Lena-Forum (Leben nach Stammzelltransplantation) wird Jakavi immer wieder von Patienten als sehr hilfreich erwähnt.

Dennoch findet man im Internet wenig persönliche Erfahrungen von Patienten. Während das Medikament unter Fachärzten eine bekannte Größe ist, stelle ich immer wieder fest, dass es unter Patienten noch nicht sehr bekannt ist. Dieser Artikel kann helfen, mehr Betroffenen, die unter einer GvHD leiden, auf diese Therapieoption aufmerksam zu machen.

4. 4. Anwendung und Nebenwirkungen von Jakavi

Wichtige Informationen zur Dosierung von Jakavi

Jakavi wird oral als Tabletten eingenommen und ist in den Dosierungen 5, 10 und 20 mg  verfügbar. Um die richtige Dosierung zu finden, wird Dein Arzt sich deine Blutwerte ansehen. Daraus empfiehlt er die beste Dosis für dich .
Der Dosierungsbereich ist 5 mg zwei mal täglich bis hin zu 20 mg zwei mal täglich. Als Startdosis wird 10 mg zweimal täglich empfohlen.

Mögliche Nebenwirkungen von Jakavi

Die Anämie ist eine häufige Nebenwirkung von Jakavi, sie ist verbunden mit Müdigkeit, Abgeschlagenheit. Die Ärzte achten während der Therapie mit Jakavi sehr auf die Hb-Werte. Um dem gegenzusteuern, bekomme ich seitdem regelmäßig Eisen. Damit sind meine Hb-Werte im Normbereich.

Die Thrombozytopenie kommt auch recht häufig vor, und wird von den Ärzten durch Blutbild-Kontrolle im Auge behalten.

Im Beipackzettel von Jakavi finden sich eine ganze Reihe von Nebenwirkungen, auf die ich hier nicht im einzelnen eingehen möchte. in Erfahrungsberichten von anderen Patienten tauchen sie nicht auf, so dass sie in einer niedrigen Häufigkeit zu erwarten sind.

Hinweisen möchte ich jedoch auf die immunsuppressive Wirkung von Jakavi. Sie ist durchaus beeinträchtigend, so dass ich alle Sicherheitsvorkehrungen, die ich nach der Stammzelltransplantation beachtet habe, unter Jakavi fortführe. Diese sind: Vermeidung von Menschenansammlungen, Sicherheitsabstand zu Menschen, die erkältet sind, und im Winter Verwendung von Mundschutz in Gebäuden mit vielen Menschen.

Fazit: Ist Jakavi ein Wundermittel bei chronischer GvHD?

Jakavi stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Behandlung von der chronischen GvHD. Es ist ein Segen für Patienten nach der Stammzelltransplantation, dass mit Jakavi eine Therapieoption zur Verfügung steht, die eine gute Alternative zur Langzeitbehandlung mit Cortison darstellt. Die gute Wirksamkeit und Verträglichkeit aus den klinischen Studien wurde zuletzt auch in der Praxis bestätigt. Es trägt sehr zur Verbesserung der Lebensqualität da.

Wenn Du an einer GvHD leidest und schon diverse andere Therapien ausprobiert hast, sprich deinen Arzt auf Jakavi an.


Leider ist Jakavi nicht Erstlinien Therapie, d.h. es müssen erst andere Immunsuppressiva zur Kontrolle der GvHD eingesetzt werden. Da die Nebenwirkungsrate von Jakavi aber überschaubar ist, ist ein Versuch immer ratsam.

Jakavi Medikament gegen GvHD
So sieht ein Blister mit Jakavi-Tabletten aus.

Ich möchte noch anmerken, dass Jakavi ein relativ teures Medikament ist. (Packung 10 mg, 56 Stück < 3.000 €, Deutschland)
Ich bekomme meine Tabletten immer von der Uniklinik verschrieben. Kliniken in Deutschland sind im Gegensatz zu niedergelassenen Ärzten nicht budgetiert, d.h. sie können auch teure Medikamente unbegrenzt verschreiben. Meine Krankenkasse übernimmt die Kosten für Jakavi seit vielen Jahren problemlos.

Ich hoffe, du kannst aus dieser Zusammenstellung aller mir bekannter Fakten über Jakavi etwas für dich mitnehmen. Ich selbst bin sehr glücklich darüber, dass ich die Gelegenheit hatte, vor 7 Jahren dieses Medikament als eine der ersten Patienten mit einer GvHD bekommen zu haben – es hat mir sehr geholfen.

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