In dem Moment, in dem der Arzt Dir sagt, dass Du Dich einer Knochenmarktransplantation unterziehen musst, stellst Du Dir sofort die Frage: Wer ist geeignet, mein Knochenmarkspender zu sein? Wer könnte mein Stammzellspender werden?
In diesem Artikel nehme ich dich mit durch alle Überlegungen und Fakten zu der Frage, wer Dein Knochenmarkspender sein könnte!
Dieser Artikel wurde am 13. September aktualisiert.
Knochenmarktransplantation – das kennt man doch nur von den anderen. DKMS, Knochenmarkspende, Stammzellspende – dunkel erinnerst Du Dich an Spenderaufrufe, wie Du sie in Zeitungen gelesen hast, oder im Fernsehen oder Radio gehört hast.
Im ersten Moment, wo du selbst betroffen bist, fragst du dich: „Wer soll mein Spender sein?“
Auch ich stellte mir diese Frage, als mein Arzt mir vor einigen Jahren eröffnete, dass meine Blut-Erkrankung nur durch eine Transplantation geheilt werden könnte. Ich fragte mich sofort, wie ich einen fremden Spender finden könnte.
Wer kommt als Knochenmarkspender in Frage?
Inhaltsverzeichnis
Allgemein gilt, dass jeder gesunde und mindestens 50 kg schwere Person im Alter von 18 bis 60 Jahren als Spender in Frage kommen kann. Man kann sich bei der DKMS als Neuspender bis zum 55. Lebensjahr registrieren. Zu beachten ist noch, dass einige Erkrankungen wie zum Beispiel schwere Herz- und Lungenerkrankungen sowie Autoimmunkrankheiten von der Spende ausgeschlossen sind. Dadurch wird sichergestellt, dass es für Spender und Patient kein zusätzliches Risiko gibt.
Die zwei großen Kategorien an Knochenmarkspendern sind nahe Verwandte und Fremdspender.
Familienangenörige allgemein als Knochenmarkspender
Hier gibt es viele Optionen, zum Beispiel Eltern, Kinder, Geschwister oder weiter entfernte Verwandte, wie Kusinen, Nichten und Neffen.
In meinem Fall habe ich nach meiner Diagnose und nach dem Vorgespräch zur Knochenmarktransplantation meine Familie informiert. Sehr schnell bekam ich Anrufe von allen Seiten: Meine Brüder, deren Kinder und auch meine Mutter wollten sich typisieren lassen um mir eventuell als Spender zu helfen.
In der Klinik wurden wir dann aufgeklärt, dass als Familienangehörige nur Geschwister in Frage kommen. Die anderen genannten Verwandten seien erblich zu weit entfernt von mir, um als Spender in Frage kommen.
Spender und Empfänger müssen in wesentlichen Merkmalen exakt übereinstimmen, da sonst die transplantierten Stammzellen abgestoßen werden. Diese Merkmale, (man nennt sie HLA-Merkmale) sind zwar bei engen Verwandten sehr ähnlich, aber bei Eltern oft nicht ausreichend passend. Ein Blick in die Vererbungslehre erklärt das:
Das Erbgut des Kindes und damit auch seine HLA-Merkmale stammen jeweils zu einer Hälfte von der Mutter und zur anderen vom Vater. Somit ist es sehr unwahrscheinlich, dass die HLA Merkmale des Elternteils zu mehr als 50 % mit denen des Nachkommen übereinstimmen.
Bei den Geschwistern des Patienten ist das anders: Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass ein Bruder oder eine Schwester mehr als 50 % Übereinstimmung in den HLA Merkmalen aufweist, weil beide ja die gleichen Elternteile haben.
Eltern als Knochenmarkspender?
Viele Eltern möchten ihren leukämiekranken Kindern gerne helfen, und der Gedanke, als Elternteil direkt Stammzellen zu spenden ist daher oft der erste. Aus o.g. Gründen kamen sie bis vor zehn Jahren leider dafür nicht in Frage. In 2011 bis 2014 wurde jedoch eine neue Methode vorgestellt, die es nahezu allen Eltern ermöglichen würde, ihre Blutstammzellen ihrem Kind zu spenden – auch wenn ihre Blutzellmerkmale nur zur Hälfte übereinstimmen. Dabei wurden die gespendeten Zellen gereinigt, um nur die Zellen mit den passenden Gewebemerkmalen zu isolieren.
Es gibt dazu einen wissenschaftlichen Artikel, der die Anwendung dieser Methode an 80 Patienten beschreibt.
Ich habe mich für diese Methode interessiert, aber leider nach 2018 keine weiteren Artikel und Quellen darüber gefunden. Wenn dich diese Methode interessiert, wende dich am besten an dein Transplantations-Zentrum und deinen Arzt. Er wird wissen, ob dies eine Möglichkeit ist und wo sie durchgeführt werden kann.
Eltern scheiden allerdings generell nicht komplett als Stammzellspender aus. In einigen Fällen entscheidet man sich für sie als Spender, auch, wenn sie nur zu 50% in den HLA Merkmalen übereinstimmen. Diesen Sonderfall nennt man die so genannte HLA-haploidentische Stammzelltransplantation. Sie kommt in Frage, wenn weder ein passender Geschwisterteil noch ein passender Fremdspender gefunden wurde. Wenn bei dem Patienten die Knochenmarktransplantation zur Behandlung seiner Erkrankung unbedingt und dringend erforderlich ist, wird diese haploidentische Stammzelltransplantation durchgeführt. Dies ist allerdings nicht an allen Kliniken Deutschlands möglich.
Geschwister als Knochenmarkspender
In meinem Fall hat mein Arzt mich direkt gefragt, ob ich Geschwister habe.
Geschwister sind heute immer noch die wichtigste Option und vielversprechendste Möglichkeit, schnell einen Knochenmarkspender zu finden.
Mit einer Wahrscheinlichkeit von fast einem Drittel (26 %) kann ein Geschwisterteil als Knochenmarkspender fungieren.
Bei mehreren Geschwistern ist die Wahrscheinlichkeit somit noch höher, dass in der engsten Familie ein Spender gefunden wird.
Die Eignung eines Spenders wird durch Typisierung der HLA-Merkmale festgestellt. Diese Typisierung der Geschwister verläuft in der Regel schnell und problemlos – meine beiden Brüder wurden baldmöglichst in die Klinik einbestellt, wurden typisiert, und nach zwei Wochen war das Ergebnis da. Mein ältester Bruder passte!
Die Eignung der Familienspender zusammengefasst
Zusammengefasst ergibt sich folgende Reihenfolge für die Spendersuche:
1. Wahl: HLA-identische Geschwister
2. Wahl: HLA-identische Fremdspender
3. Wahl: teilweise passender Familienspender (z.B. haploidentische SZT)
Diese Prioritäten Reihenfolge wird in den meisten Kliniken eingehalten.
Fremdspender
Dann wird die Suche über den behandelnden Arzt eingeleitet. Er erteilt einen Auftrag an das Zentrale Knochenmark Register Deutschland (ZKRD). Das ZKRD erstellt Listen mit potentiell identischen Spendern aus dem In- und Ausland, und verwaltet die Suche, bis, nach Rücksprache mit dem Arzt, der passendste Spender gefunden wird. Dieser wird über das ZKRD informiert und reserviert.
Ich habe meinen auch Arzt gefragt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, einen Fremdspender (nicht Bruder oder Schwester) zu finden, und war überrascht über die Antwort.
Die Erfolgsrate der Spendersuche ist heutzutage bei 80 – 90 %.
Der Grund für diese hohe Wahrscheinlichkeit, einen Fremdspender zu finden, ist, dass weltweit mehrere Millionen freiwillige Spender registriert sind. Kontinuierlich kommen immer mehr dazu – das ist gut!
Dieses Ergebnis ist für Patienten in dieser bedrängenden Situation durchaus beruhigend. In der Regel dauert die Suche auch nicht mehr so lange wie früher: Bei 50 % der suchenden Patienten sogar nicht länger als 6 Wochen, nach insgesamt 3 Monaten wird für rund 75 % der Patienten ein Spender gefunden.
Konkret kann das heißen, dass ein Patient nach mehreren Wochen die Wahl hat zwischen zwei oder mehr Spendern. Die Patientin in der Klinik im Nebenzimmer erzählte mir kurz vor der Transplantation, sie hätte die Möglichkeit für Spenderzellen aus Zypern und aus Kanada. Sie hat sich damals für den Knochenmarkspender aus Zypern entschieden.
Zwei Tage vor meiner eigenen Transplantation dachte ich viel über das Für und Wider Geschwister-Spende / Fremdspender nach. Mein Bruder, der zu 99 % zu mir passte, spendete seine Stammzellen über die Apharese, blieb einen Tag und eine Nacht bei mir in der Klinik und wir fühlten uns sehr miteinander verbunden.
Die Zellen für meine Nachbarin kamen pünktlich per Kurier in der Klinik an, sie wurde am gleichen Tag transplantiert wie ich, und verließ im selben Zeitraum die Klinik. Sie hat die Transplantation genauso gut überstanden wie ich.
Ich habe es sehr geschätzt, dass mein Bruder mit seinen Stammzellen mein Lebensretter war. Aber: obwohl er ausgesprochen gut in den Gewebemerkmalen zu mir passte, entwickelte ich nach der Transplantation eine heftige Abstoßungsreaktion, eine GvHD. Das hatte ich bei der Vorgeschichte nicht erwartet.
Fazit zur Spendersuche
Fremdspender sind genauso gut geeignet wie Geschwister.
Es gibt natürlich psychologische Vorteile, einen Bruder oder eine Schwester als Knochenmarkspender zu haben. Mein Bruder hat mich in der Klinikzeit vor der Transplantation sehr viel besucht, ich war vertraut mit der Person, die mir das Leben retten würde. In einem weiteren Blogartikel habe ich unsere Geschichte und die Folgen für uns beide ausführlich geschildert – du kannst das hier nachlesen.
Wird bei Fremdspender und Geschwisterspendern gleich ausgewählt?
Recherchen und Nachfragen haben mir gezeigt, dass für Spender aus der eigenen Familie weniger drastische Auswahlkriterien gelten. Ein Spender aus der Familie kann so im Gegensatz zu einem Fremdspender eine andere Altersgruppe repräsentieren, eine viel ältere Person beispielsweise, als sie für die Fremdspender zugelassen ist. Diese Kriterien können sich eventuell nach der Transplantation negativ auf das Ergebnis für den Empfänger auswirken.
Die vollständigen Kriterien, wer als Knochenmarkspender allgemein in Frage kommt, findet man auf der Seite der DKMS.
https://www.dkms.de/de/content/wer-darf-spender-werden
Die Fakten zur Spendersuche, hier noch einmal zusammengefasst, machen jedoch Mut:
- Die Suche nach einem Spender ist heutzutage sehr gut organisiert und sehr aussichtsreich.
- Mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 – 90 %, einen Fremdspender zu finden, und einer Wahrscheinlichkeit von 26 % unter Geschwistern fündig zu werden, können wir Patienten recht zuversichtlich sein, dass in kürzester Zeit ein Knochenmarkspender zur Verfügung steht.
- Fremdspender sind nicht schlechter geeignet als Geschwister.
Wie war das bei Dir, welche Erfahrungen hast Du gemacht? Hast Du einen genetischen Zwilling unter Deinen Geschwistern gefunden, oder gab es einen Fremdspender für Dich? Schreib´ doch Deine Erfahrung in die Kommentare unter diesem Blogbeitrag. Ich freue mich über jeden Eintrag und beantworte Deine Fragen dazu!
Am Ende wird alles gut werden, und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht am Ende.
Oscar Wilde, irischer Schriftsteller, 1854–1900
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Interessant, dass bei der Hälfte der Patienten die Wartezeit für eine Spendersuche nicht länger als 6 Wochen dauert. Ich leide unter Arthrose und bin neulich im Internet auf die vielversprechende Stammzellentherapie gestoßen. Ich werde mich in der nächsten Woche an einen spezialisierten Facharzt wenden und mich beraten lassen.
Liebe Maria, vielen Dank für Deinen Kommentar! Die Suche nach den passenden Stammzellen für eine Transplantation wird mittlerweile international durchgeführt und durch die Aktivitäten der DKMS ist die Spenderdatenbank so stark angewachsen, dass sich die Bedingungen tatsächlich sehr verbessert haben im Vergleich zu früher. Herzliche Grüße, Annette Mertens
Mein Arzt erklärte mir auch, dass es für die Spendersuche entscheidend ist, aus welcher Region der Welt man kommt. Europa und Nordamerika sind da gut aufgestellt. Afrika oder Asien schlechter. Entscheidend ist wohl auch, ob genetische Einflüsse aus verschiedenen Regionen bei einem vorhanden sind. Das macht die Spendersuche auch schwieriger.
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Ich habe meine neuen Stammzellen von einem Fremdspender erhalten, da ich keine Geschwister habe. Als Backup, falls kurzfristig was passiert wäre, stand meine Mutter zur Verfügung. Nachdem ich nach einem Jahr leider einen Rückfall hatte, war mein Erstspender sofort wieder bereit, mir nochmal von seinen Stammzellen abzugeben. Ich bin ihm unendlich dankbar dafür und fühle mich ihm sehr verbunden, auch wenn wir bisher nur anonymen Kontakt haben.
Lieber Matthias, vielen Dank für Deine Ergänzung bezüglich Deiner Mutter. Ich finde es grandios, dass Dein Spender erneut bereit war, seine Zellen zu spenden. das ist so wichtig!
Die Regionen der Welt sind tatsächlich unterschiedlich geeignet Spender für uns Europäer zu sein. Diesen Aspekt hatte ich noch nicht erwähnt, vielen herzlichen Dank für Deine Ergänzung!
Annette
Hallo Annette,
danke für deinen immer sehr lesenswerten Blog. Ich habe meine Stammzellen im März 2020 erhalten, zu Beginn des ersten Corona-Lockdows. Bei mir kam schon nach wenigen Wochen due Nachricht, dass es 3 geeignete Spender gab. Mein Bruder kam leider nicht in Frage, da er vor einiger Zeit selbst eine (gut überstandene) Krebserkrankung hatte. Ich dachte, 3 Spender, da kann ja nichts schief gehen. Doch kurz vor der Transplantation brachen die ersten beiden weg. Der erste hat sich auf die Anfrage nicht mehr gemeldet und der zweite Spender fiel aus medizinischen Gründen aus. Da ja bekanntlich aller Guten Dinge 3 sind, hat es mit der 3. Spenderin geklappt. Eine Ärztin aus Großbritannien. Schon komisch, dass man so weit entfernt einen genetischen Zwilling haben kann. Wir schreiben uns mittlerweile per E-Mail und ich hoffe, sie irgendwann persönlich kennen zu lernen. Somit also hier die Info an alle potentiellen Spender: bitte lasst euch registrieren! Es ist sehr wichtig, dass die Datenbank weiter wächst! Ich habe glücklicherweise nur recht milde GvHD-Symptome, daher komme ich inzwischen ohne Immunsuppression aus. Corona hat mich bisher verschont, was auch gerne so bleiben darf. Liebe Grüße an alle, Kerstin
Liebe Kerstin, vielen herzlichen Dank für Deinen Kommentar mit Deiner ganz persönlichen Spender-Historie! Wie gut, dass es einen dritten Spender gab! Und genau deshalb ist es so wichtig, dass sich genügen Menschen registrieren lassen, da hast du so Recht! Man darf einfach nicht vergessen, dass immer auch wieder Spender ausfallen wegen Alter oder Vorerkrankungen, das bedeutet, wir brauchen immer wieder neue registrierte potentielle Spender! Ich drücke dir die Daumen, dass du von Corona verschont bleibst – falls du es bekommst, wende dich direkt an deine Ärzte! Ganz herzliche Grüße, Annette
Hallo Annette, das ist für mich als Laien sehr interessant gewesen.
Grüße
Janka
Liebe Janka, vielen Dank für Deine Rückmeldung. Ich weiß, dass viele das nicht genau wissen, und freue mich, das hier zusammenfassen zu können. Alles Gute dir, liebe Grüße, Annette