Knochenmarktransplantation

Füreinander da sein: Als Knochenmarkspender für einen Familienangehörigen

Zehn Jahre knochenmarktransplantiert – ein Grund zum Feiern

Heute vor 10 Jahren hatte ich meine Stammzelltransplantation. Ich war sehr glücklich über die Tatsache, dass die neuen Stammzellen von einem Familienangehörigen, nämlich von meinem Bruder Michael, waren. Anlässlich dieses „Feiertages“ schreibe ich heute diesen Artikel über meinen Spender und mich.

Du erfährst hier, welche Gedanken sich ein Familienangehöriger als Knochenmarkspender zu diesem sehr wichtigen, bewegenden Ereignis macht.

Knochenmarkspender Geschwister
Wenn Geschwister zum Knochenmarkspender werden, entsteht eine starke Bindung.

Ich erhielt die Diagnose MDS (myelodysplastisches Syndrom) im März 2011. Mein Hämatologie überwies mich danach direkt in die Uniklinik Aachen, weil er kein Spezialist auf diese Erkrankung war.

Bis zu meiner tatsächlichen Transplantation dauerte es allerdings noch 5 Monate. Ich habe in dieser Zeit die geeignete Klinik für mich gesucht, in der ich transplantiert werden wollte. Gleichzeitig musste ich mehrere Voruntersuchungen absolvieren. Die wichtigste Voraussetzung war aber das Finden eines geeigneten Knochenmarkspneders.

Mein Arzt in Düsseldorf schlug vor, zunächst unter meinen Geschwistern die Kompatibilität zu untersuchen. Ich habe zwei Brüder, beide älter als ich, und sie ließen sich sofort für mich typisieren. Zwei Wochen später erhielt ich die Nachricht, dass mein ältester Bruder gut passte. Ich hatte also schon einen Knochenmarkspender – was für ein Glück!  Nun konnte es bald losgehen.

Ein besonderer Tag – der Tag vor der Knochenmarkspende

Am 1. August 2011, einem heißen Sommertag, wurde ich in die Uniklinik Düsseldorf auf die KMT Station aufgenommen. Zehn Tage später, nachdem ich die erforderliche Hochdosis-Chemotherapie überstanden hatte, durfte mein Bruder zu mir in die Klinik.  In Düsseldorf ist es so geregelt, dass bei Geschwistern die Spender die Nacht vor der Zellenentnahme durch Apherese bei den Patienten verbringen dürfen.

Wir haben uns auf diesen Abend gefreut. Ich war schon eine Woche lang isoliert gewesen und freute mich auf Gesellschaft. Mein Bruder hatte die Hormonspritzen zur Anregung der Stammzell-Produktion in diesen Tagen erhalten und freute sich darüber, mein Lebensretter sein zu können.

Es gab allerdings eine kleine Komplikation an diesem Abend. Die Tochter meines Brudera, meine Nichte, hat in dieser Nacht ihr erstes Kind geboren. Mein Bruder wurde also gleichzeitig das erste Mal Großvater.

Ich habe meinen Bruder nun, zehn Jahre nach diesem Tag, noch einmal befragt. Ich wollte gerne wissen, wie er sich in dieser Situation als mein Lebensretter, gefühlt hat.

Seine Antworten zeigen deutlich auf, wie sich ein Knochenmarkspender fühlt, wenn er seinem Geschwisterteil mit seinen Zellen das Leben retten kann.

Interview mit meinem Knochenmarkspender, meinem Bruder Michael

Michael Nassenstein, 69 J.

Journalist,

Knochenmarkspender f. Annette Mertens (10.8.2011)

Michael, erinnerst du dich noch an den Tag, an dem du dich hast typisieren lassen? Wie hast du dich dabei gefühlt?

Ja, ich erinnere mich noch genau an diesen Tag. Ein Krankenhaus hatte ich damals ja seit exakt 50 Jahren nicht mehr als Patient oder zu Behandelnder gesehen – zuletzt als Neunjähriger, als ich am Blinddarm operiert worden war. Und diese Aktion war für mich auch etwas Ungewöhnliches, ja, etwas völlig Neues. Natürlich hoffte ich, mit meinem Ergebnis für dich als Spender in Frage zu kommen.

Es hat ja ein paar Tage gedauert (ca. 2 Wochen), bis das Ergebnis kam, dass deine Zellen zu 100 % zu meinen passen. Es war so, dass die sogenannten Transplantationsgene (die HLA-Merkmale) in 10 von 10 Fällen bei uns beiden übereinstimmten. Das war ein sehr gutes Match, wie man sagt. Wie hast du damals die Nachricht aufgenommen, dass du mein Spender sein solltest?

Ich war zunächst sehr erleichtert und froh, dass es eine solch 100-prozentige Übereinstimmung zwischen uns gab. Dann war ich stolz, dass ich der „Auserwählte“ sein durfte. Schließlich empfand ich das Ergebnis aber auch als Bestätigung unseres ohnehin stets so guten und harmonischen Verhältnisses. Eigentlich musste es ja so kommen: Es war nicht mehr als konsequent. Ich hoffe, das klingt jetzt nicht zu vermessen …

Wir haben uns nach der Typisierung und in der Vorbereitung meines Krankenhaus-Aufenthaltes beide über den Vorgang der Knochenmarkspende informiert. Erinnerst du dich noch, wer dich über den Prozess, der auf dich zukommen würde, informiert und aufgeklärt hat?

Dass ich sehr detailliert über die Prozedur aufgeklärt worden bin: Daran erinnere ich mich noch deutlich. Aber wer dies getan hat, weiß ich nicht mehr.

Am 1. August 2011 bin ich in die Uniklinik Düsseldorf aufgenommen worden. Wie hast du dich in den zehn folgenden Tagen gefühlt, wo du doch der Schlüssel der lebensrettenden Therapie für mich warst?

Es war für mich selbstverständlich, dir zu helfen; da gab es für mich nie einen Moment des Zögerns oder Zweifelns. Und ich bin sicher, du hättest umgekehrt nicht anders gehandelt – niemand aus unserer Familie hätte anders gehandelt. Und die kleinen Komplikationen, die ich nach der Transplantation hatte, waren mit dem, was du damals physisch wie auch psychisch durchmachen musstest, nicht vergleichbar

Am 10. August bist du zu mir in die Klinik gekommen und konntest sogar einen Abend und bis zum nächsten Morgen bleiben. Wir haben uns sehr auf diesen Abend gefreut, nach der längeren Isolation vorher. Du standest aber zu der Zeit unter einer besonderen Situation, denn deine Tochter, meine Nichte, hat genau an diesem Tag ihr erstes Kind zur Welt gebracht – ungünstigerweise im 50 Kilometer entfernten Leverkusen. Was für Gedanken sind dir in dieser sehr ungewöhnlichen Situation durch den Kopf gegangen?

Ja, das war eine zusätzlich außergewöhnliche Situation. Natürlich wäre ich am 10. August gern bei meiner Tochter gewesen – schließlich war Manuel ja mein erstes Enkelkind. Aber diesen Besuch konnte ich ja am übernächsten Tag nachholen. Irgendwie empfand ich Manuels Geburt und die Transplantation als eine Art „Doppelgeburt“, denn auch du warst für mich am 10. August wie neu geboren.

Am nächsten Morgen bist du von den Pflegern auf eine andere Station gebracht worden, damit du deine Stammzellen über die Apharese abgeben konntest. Wie war dieser Vorgang für dich?

Ich hatte erwartet, dass dies anstrengend sein würde – aber alles lief schmerzfrei und sogar recht entspannend ab.

Neun Tage nach meiner Transplantation sind deine Stammzellen in Rekordzeit angewachsen. Ich habe dich damals als erste Person darüber informiert. Erinnerst du dich noch daran?

Ja, das weiß ich noch. Und ich weiß auch noch, wie glücklich ich, wir beide über diese wunderbare Entwicklung waren.

Wie geht es dir inzwischen, heute, nach 10 Jahren. mit dem Gedanken, mein Knochenmarkspender gewesen zu sein? Denkst du noch oft an diese Zeit? Hat sich etwas geändert in dem, was du empfindest, wenn du an mich, deine Schwester, denkst?

Mir geht es nach wie vor gut. Die Knochenmarkspende hat mich in keiner Weise gesundheitlich belastet oder beeinträchtigt. Die Entscheidung, dir vor 10 Jahren zu helfen,war für mich absolut richtig, wichtig – und alternativlos. Sie wäre es auch dann gewesen, wenn es anschließend für dich oder mich keine so positive Entwicklung gegeben hätte.

Ich hatte in den vergangenen Jahren immer stärker das Gefühl, dass wir beide nach der Transplantation noch intensiver miteinander verbunden sind, als wir es zuvor eh schon waren. Wir haben jetzt so viele ähnliche Empfindungen, Ansichten und Werte. Und das müsste eigentlich mit einer Namensänderung dokumentiert werden: Du solltest nicht mehr Annette, sondern Michaela heißen …

Knochenmarkspender Geschwister
Mein Bruder und ich

Vielen Dank, lieber Michael für deine Antworten.
Ich möchte hier noch dazufügen, dass ich auch noch einen anderen Bruder habe, der zwar nicht zu meinem Knochenmarkspender geworden ist, zu dem ich aber auch eine gute geschwisterliche Beziehung habe.

Michaels erstes Enkelkind Manuel ist mittlerweile ein aufgeweckter, fröhlicher Junge, der uns mit seinem Geburtstag im August jedes Jahr wieder an diesen Tag der Knochenmarkspende erinnert.

Ich habe durch die Transplantation mit Michaels Zellen eine neue Blutgruppe erhalten. Von Blutgruppe B negativ zu Blutgruppe A +.

Vielleicht sollte ich mich damit doch ein klein wenig wie eine Michaela fühlen…

neue Stammzellen schenken Leben
Neues Leben mit neuen Stammzellen

Wenn du selbst transplantiert bist – feierst du deinen Transplantationstag? Oder erinnerst du dich gerne an ihn zurück?

Oder wenn du Geschwister hast – kannst du dir vorstellen, für sie der Knochenmarkspender zu sein? Schreibe mir doch in den Kommentaren, welche Gedanken dir bei diesem Beitrag durch den Kopf gegangen sind!

3 Kommentare zu „Füreinander da sein: Als Knochenmarkspender für einen Familienangehörigen“

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