Krebs, warum ich?

„Krebs – warum ich?“

Was dein Mindset mit deiner Lebensqualität macht

gastbeitrag von Nella Rausch von Zellenkarussel

Nella Rausch, Mindset Expertin
Nella Rausch, Bloggerin und Mindset-Expertin

Kennst du Nella von www.zellenkarussell schon?


Nella und ich haben uns zufällig im World Wide Web kennengelernt. Wir trafen uns online in einer Blogger-Community und stellten fest, dass wir beide das Gleiche erlebt haben und darüber schreiben – über das Leben nach einer Stammzelltransplantation.
Nellas Blogartikel sind nicht technisch, oder sachlich. Sie trifft mit ihren Texten die Emotionen, Gefühle und Gedanken von vielen Menschen, die ein Leben mit und nach Krebs führen.
Ich habe Nella gefragt, ob sie für meinen Blog einen Artikel über das Thema Mindset schreibt.
Über die Macht der positiven und negativen Gedanken in einer solchen Situation, in der du glaubst, dass dir der Boden unter den Füßen weggezogen wird.
Wenn Du auf der Suche bist nach Hilfestellung in düsteren Tagen und dich fragst, wie du wieder „positiv“ denken kannst, dann lies hier unbedingt, was Nella dir dazu sagen kann!

Kennst du diese lieb gemeinten Sätze, die meist kurz nach der Krebsdiagnose kommen, wie zum Beispiel: „Du schaffst das schon. Du bist eine Kämpferin.“ Oder „Du darfst nicht aufgeben.“ Oder „Du wirst sehen, du kommst bald wie ‚Phoenix aus der Asche‘ zurück.“

Manchmal sind sie Motivation, manchmal aber auch Bürde.

Als ich meinem behandelnden Oberarzt stolz von meinem Blog „Zellenkarussell“ kurz nach dessen Start erzählte, war er erst etwas skeptisch und meinte: „Hoffentlich geht das textlich nicht in die Richtung „Man muss nur richtig wollen und positiv denken, dann wird das schon werden.“ „Nein, das darf und wird auch nicht so sein.“, entgegnete ich ihm damals und fühle mich auch heute noch – fast vier Jahre später – diesem Versprechen verpflichtet

Mindset? Was ist das überhaupt?

Und damit sind wir schon mitten im Thema.

Was bedeutet das eigentlich, wenn alle von einem positiven Mindset sprechen? Besser gefragt, was bedeutet das für Krebspatienten mit schlechter Prognose oder Palliativpatienten? Meine Antwort darauf: Für mich hat das alles in erster Linie mit Lebensqualität zu tun. Wie schaue ich aufs Leben und was ist mir wichtig?

Lebensqualität und Mindset sind für mich untrennbar miteinander verbunden. Sind wir (vermeintlich) gesund, kümmern uns diese Themen wenig, denn sie sind wie selbstverständlich vorhanden. Das Mindset wird maximal eingesetzt, um sich selbst zu optimieren. Wirst du jedoch krank, bekommen diese beiden Faktoren einen ganz anderen Stellenwert.

Negative Gedanken sind Energieräuber

Das beginnt meist schon kurz nach der Diagnose. Häufig kommen da Gedanken hoch, die uns hadern lassen und die in der Frage münden: „Warum ich?“ Komischerweise hatte ich diesen Gedanken am Anfang gar nicht, der kam erst fast zwei Jahre später, nach dem großen Schock Therapieversagen und der dann doch erfolgreichen Stammzelltransplantation, die mir alles, wirklich alles abverlangte.

Doch schauen wir noch mal kurz auf die negative Kraft der Frage „Warum ich?“. Denn genau das ist es, was sie verströmt: Negativität, die dir dazu auch noch Energie raubt.

Meine Erfahrung ist: Das nach hinten Schauen, ergibt in dieser ersten Phase, also der Phase nach der Diagnosestellung, keinen Sinn. Ich muss es so klar sagen. Die Krankheit ist da, sie gehört jetzt zu dir. Ab jetzt zählen der Moment und der Blick nach vorne. Eine Perspektive gibt dir die Kraft, die du nun brauchst. Und vor allem: Nimm die Krankheit an. In der Sprache der Psychologen ist in dem Zusammenhang häufig von der Akzeptanz der Diagnose die Rede.

Die Alternative dazu wäre, gegen etwas zu kämpfen, was nicht zu bekämpfen geht, zumindest nicht so, wie du es Dir wünschst. Medizinisch hoffentlich schon. Je früher du zu dieser Einsicht kommst, umso besser.

Bitte mal parken

Denn hier ist ja nicht so, als hättest du dich kurz mal verlaufen und müsstest nur umdrehen und dann den richtigen Weg finden. In dieser Situation geht es darum, neue Wege aufzutun, für die du einen kühlen, einen klaren Kopf benötigst. Jetzt stehen teilweise existenzielle Entscheidungen an, die nicht „ins Blaue hinein“ getroffen werden dürfen.

Ein lieber Freund benutzt dafür gerne das Bild eines Parkplatzes. „Dinge, die ich nicht verstehe, die mir zu groß sind, parke ich erst mal bildlich ein und schaue später noch mal vorbei.“

Kampf oder Krampf?

Und dann wäre da noch das Wort „Kampf“ an und für sich. Denn ehrlich gesagt tue ich mich damit zunehmend schwer. „Du bist eine echte Kämpferin!“ Diesen Satz habe ich schon so oft gehört, dass er mir in den Ohren klingelt.

Denn wie anstrengend ist es, immer kämpfen zu müssen? Und wie gesagt, es bedeutet nicht, dass die kämpferische Haltung automatisch ein gutes Ende impliziert. Leider nicht.

Da spielen so viele Faktoren mit hinein. Unter anderem auch viel Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Dauernder Kampf oder kämpfen zu müssen, kostet Kraft, viel Kraft, die meist nicht vorhanden ist, weil der Körper und der Geist stark gefordert sind.

Ich bin eher dafür zu sagen: Verliere nicht den Glauben an dich, an deinen Körper, an die Ärzte und die Medizin. Gib dich niemals auf!Ich für mich möchte nicht ständig im Kampfmodus sein.

Wer fragt, gestaltet

Selbstmanagement ist auch so ein Stichwort, das in diesen Komplex von Mindset und Lebensqualität hineingehört und das an dem oben gesagten anknüpft und mit guter Information beginnt.

Nimm dir die Zeit, die du benötigst, und stelle deine Fragen, die dir wichtig sind, bereite dich auf Arztgespräche vor wie auf Meetings oder Besprechungen im Büro. Dafür empfiehlt es sich, Notizen zu machen und die wichtigste aller Fragen als erstes zu formulieren. Damit erreichst du außerdem etwas, was häufig als „auf Augenhöhe mit dem Arzt sein“ bezeichnet wird. Patient und Behandler sind ein Team.

So kannst du die Therapieentscheidungen viel besser mittragen, die damit dann wiederum oft zu einem besseren Therapieverlauf führen.

Selbstheilungskräfte und so

Und noch eine Sache, die ich in diesem Zusammenhang erwähnen möchte: Die sogenannten Selbstheilungskräfte.

Meine Ärzte sehen in meiner Heilung ein „kleines Wunder“ und haben mir oft genug zu verstehen gegeben, dass meine positive Art und Lebenseinstellung einen Einfluss auf den Verlauf meiner Therapie hatten. Das ist aber nicht gesetzt. Und daher sind solche Ideen oder Gedanken wie „Na, dann hat er oder sie es wohl nicht richtig gewollt.“ völlig fehl am Platze. Vielleicht ist es auch gut, manche Sachen einfach zu verdrängen, negative Prognosen zu überhören. Bei mir sind die vor jetzt fast sieben Jahren abgeperlt, wie ein Wassertropfen in einer Teflonpfanne. „Gib dich niemals auf.“, ist daher für mich mehr als nur ein Spruch.

Denn wie sagte eine wunderbare Ärztin einmal zu mir: „Frau Rausch, auch Zeitgewinn kann ein Erfolg sein. Die Forschung entwickelt so rasant neue Therapien, man weiß nie, was wann passiert.“

Kleiner Blick in meine „Kraft-Kiste“

Außerdem war ein Motor (neben meinen Kindern natürlich) für mich auch, dass ich dachte, selbst wenn die Situation gerade nicht besonders prickelnd ist, möchte ich es mir gerade deswegen schön machen. Dazu gehörten Ausflüge, Verabredungen mit Freudinnen und Freunden, Kurztrips, viel Lachen und Humor.

Eine Sache, die mir übrigens immer sehr gut hilft, ist das Schreiben. Jetzt denkst du sicher, ach deswegen hat sie den Blog „Zellenkarussell“ gegründet. Doch da muss ich dich enttäuschen, das war nicht der Grund. Die befreiende Wirkung habe ich erst später bemerkt und dann in meine tägliche Routine eingebaut. Jeden Morgen schreibe ich 5 – 10 Minuten runter, was mir einfällt. Dann merke ich, wie sich meine Gedanken ordnen.

Wenn ich spüre, dass ich die „Kellertreppe der Gefühle“ immer weiter hinunter gehe, schnappe ich mir meine Kladde und schreibe drauf los. Sonst empfiehlt es sich auch immer, das Gespräch zu suchen. Ganz egal, ob mit einer Psychoonkologin oder einem Psychoonkologen oder dem Partner, der Partnerin oder guten Freunden. „Wer seine Gedanken verbalisiert, verarbeitet die Erkrankung besser.“, erklärte mir einmal meine Psychoonkologin.

Glaube versetzt Berge, sagt die Wissenschaft

Die Wissenschaft belegt den Ansatz der „guten Gedanken“ oder den „Placeboeffekt“ inzwischen mit zahlreichen Studien.

Auszug aus dem Medizinportal DocCheck Placebo-Effekt – DocCheck Flexikon: „Als Placebo-Effekt bezeichnet man das Auftreten therapeutischer Wirkungen nach Scheinbehandlungen, insbesondere nach der Gabe von Scheinpräparaten (Placebos). Die beobachteten Wirkungen können dabei qualitativ denen eines „echten“ Medikaments bzw. einer „echten“ Therapie entsprechen.“

Beispielsweise führte allein die Vorstellung von ausreichender Sauerstoffzufuhr in großer Höhe dazu, diese und vor allem deren Folgen (Kopfschmerzen, verminderte Leistungsfähigkeit / Höhenkrankheit) beim Aufstieg besser zu meistern.

Eine andere Studie zeigte, dass, wenn eine Pflegekraft die verordneten Medikamente auf den Nachttisch legt, diese nicht so wirksam sind, wie die, die durch den Chefarzt persönlich überreicht werden. Selbst bei mechanischen Beschwerden, wie Knorpelschäden im Knie, die angeblich operiert wurden, kann man ähnlich erfolgreiche Heilungsverläufe beobachten wie bei denen, die tatsächlich operiert wurden.

Die Erwartungen sind die großen „Player“

Was entscheidend ist, so die Wissenschaftler, sind die Erwartungen, der soziale Zusammenhang (was man erzählt, erklärt), das Setting (also die Situation, die Umstände). So macht unser Hirn aus Worten und Bildern Chemie.

Das sogenannte Selbstsystem – die obere Kommandoebene im Gehirn, genauer im Stirnhirn – beschreibt die innere Aufstellung. Also: Was denke ich über mich? Was glaube ich, was gut für mich ist? Das hat auch viel mit der „Selbstwirksamkeitserwartung“ zu tun, die eine große Bedeutung für ein zufriedenes Leben hat, wie mir Prof. Dr. Malek Bajbouj von der Charité einmal in meinem Podcast erklärte.

Dabei spielt es keine Rolle, ob das Erwartete auch wirklich eintrifft. Wenn du dir dazu noch motivierende Vorbilder suchst, etwas Sinnstiftendes tust, dich in sozialen Interaktionen oder Gemeinschaften bewegst und schließlich, so sagt es Prof. Bajbouj, bei Allem, was gerade um dich herum geschieht, trotzdem wertschätzend im Hier und Jetzt bist, hast du eine sehr solide Basis, um die anstehenden Herausforderungen gut zu meistern.

Kein Hokuspokus

Wenn dieses Selbstsystem gut aufgestellt ist, du eine gute Selbstfürsorge, mehr Achtsamkeit betreibst, hat es Effekte auf die untere Kommandoebene im Hirn, die dann Glücksbotenstoffe in den Körper schickt. Stressbotenstoffe dagegen werden weniger ausgelöst und damit auch nicht transportiert. Sowohl Glücksbotenstoffe als auch Stressbotenstoffe können das Herz-Kreislauf-System und das Immunsystem beeinflussen. Also kein Hokuspokus!

Und das Schöne daran: Die Haltung, dein Selbstsystem ist steuerbar, erlernbar. Jeder kann selbst etwas für sich tun. Es gibt keine ausschließliche Veranlagung zum Optimisten oder Pessimisten, was ich übrigens immer dachte. Alles ist modellierbar, wie die Neurologen sagen.

Affirmationen: negative Gedanken umleiten

Achtung, jetzt wird es praktisch! Häufig geben wir den negativen Gedanken und Begegnungen zu viel Raum. Das reicht oft bis in die Kindheit zurück und funktioniert wie eine Schallplatte, die einen Sprung hat. Immer und immer wieder begeben wir uns in schmerzvolle Situationen und verlieren uns in schweren Denkspiralen.

Die Technik der Affirmation versucht genau dieses Prinzip zu durchbrechen. Sie kann deine innere Haltung, also dein Mindset, stärken. Vor allem hilft sie, deine negativen Gedanken umzuleiten, ihnen eine andere Richtung zu geben. Das Ziel ist es, eine dauerhafte, ich sage mal, Umprogrammierung zu erreichen, alte „Datensätze“ auf deiner „Festplatte“ zu überschreiben.

Versuche es selbst einmal

Indem du immer wieder bewusst kraftvolle Affirmationen an dich selbst richtest, werden deine Worte irgendwann zu deinen Gedanken.

Bei der Formulierung einer positiven Affirmation wird die Gegenwartsform gewählt. Damit wird ausgedrückt, dass der Zustand bereits eingetroffen ist. Sie könnte zum Beispiel lauten:
• Mein Körper ist von Tag zu Tag gesünder.
• Ich bin wertvoll.
• Ich akzeptiere mich wie ich bin.
• Ich habe Spaß am Leben
• Ich vertraue meinem Körper.

Diese Liste kannst du endlos weiterführen. Im Netz gibt es zahllose Beispiele für gute weitere Sätze.

Die Affirmation bezieht sich immer auf den Moment und richtet sich nicht in die Zukunft. Zum Beispiel „Ich bin …“, nicht „Ich werde …“. Entscheidend ist, eine bejahende, positive Aussage für dich zu finden, die du in regelmäßigen Abständen öfter hintereinander wiederholst wie ein Mantra oder ein Gebet.

Beispiel: „Ich bin stark!“, aber nicht: „Ich werde stark!“


Und weil mich das Thema der positiven Psychologie nicht mehr loslässt, habe ich eine kleine Glückssucher-Challenge konzipiert, zu der du dich gerne anmelden kannst. Du findest sie auf der Seite: Frau Nella sucht das Glück – Zellenkarussell

Mein Fazit zu all dem ist:

Natürlich kommen dunkle Gedanken immer mal wieder hoch, das ist auch völlig okay und normal, sie dürfen sich nur nicht dauerhaft in deinem Kopf einrichten und dich schwächen.
Ich halte es da mit dem Sprichwort, das ich einmal in einer Talkshow aufgeschnappt habe: „Du kannst nicht verhindern, dass die Vögel des Kummers und der Sorge über deinen Kopf fliegen. Du kannst aber versuchen zu verhindern, dass sie mit deinen Haaren Nester bauen.“
Die Gelehrten streiten sich noch, ob das Sprüchlein aus China kommt oder von Luther stammt. Mir ist das reichlich egal, ich liebe es einfach.

Lesenswertes:

Nella hat übrigens nicht nur einen Blog, sondern auch einen ganzen Ratgeber geschrieben, der sich mit dem Thema Umgang mit einer Krebsdiagnose beschäftigt und den ich dir sehr empfehlen kann. Hier ist der Link dazu.

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