Aktiv-Urlaub nach Stammzelltransplantation – Meine Erfahrungen in Island

Ich verreise gerne, aber seit meiner Stammzelltransplantation war ich meist nur an vertrauten Orten wie in unserem Ferienhaus in Holland – da fühle ich mich sicher, habe gute medizinische Versorgung und guten Schutz vor der Sonne. Aktiv-Urlaube kamen erst in den letzten Jahren wieder dazu, aber immer gut geplant und überlegt. In diesem Jahr wollte ich etwas Neues erleben: Zwei Wochen Island, ein Land voller extremer Natur und unberechenbarem Wetter.

Geht das überhaupt als Patientin nach Stammzelltransplantation, in ein solch extremes Land zu reisen und dort Urlaub zu machen?
Was muss ich vorbereiten dafür? Und wie fühle ich mich auf einer solchen anstrengenden Reise?

Ich bin zwar aus der kritischen Zeit nach einer Stammzelltransplantation heraus, aber etwas Bedenken hatte ich doch.

In diesem Artikel geht es nicht nur um meine Erlebnisse, sondern darum, wie man nach einer Stammzelltransplantation solch eine Reise wagt, was man beachten sollte, und welche Herausforderungen und Überraschungen es gibt.

Die Reise – Unser Plan für Island

Eine Reise nach Island war schon als Kind mein Traum. Lange habe ich diesen Traum immer aufgeschoben, und als ich vor 13 Jahren transplantiert wurde, dachte ich, das schaffe ich nie mehr.
Obwohl die Stammzelltransplantation nun schon so viele Jahre her ist, bin ich immer noch beeinträchtigt. Meine körperliche Fitness ist ungefähr die einer fast siebzigjährigen, und ich nehme täglich mehr als zwölf verschiedene Medikamente.

Dennoch habe ich den Plan für dieses Jahr in Angriff genommen – wenn jetzt nicht, wann dann?
Wir beschlossen, zu viert zureisen, mein Mann und ich und meine Schulfreundin und ihr Mann fuhren zusammen. Die Route wurde uns von einem auf Island spezialisierten Reisebüro zusammengestellt, wir mieteten für uns vier ein großes Auto mit Allrad Antrieb. Die Hotels waren vorgebucht, so dass wir jeden Tag eine Strecke von 100 bis 350 km zurücklegen mussten. Was wir uns auf den Teilstrecken anschauen wollten, konnten wir flexibel selbst entscheiden.

Island Reise
Island hat eine Fläche von ca. 1/3 von Deutschland – die RIngstraße rundum die Insel hat eine Länge von über 1.300 km.

Wie bereite ich mich auf eine solche Reise vor?

Medikamente

Ich habe mir meine Medikamente für zwei Wochen besorgt. Darüber hinaus habe ich mitgenommen: Schmerzmittel, fiebersenkendes Paracetamol, Paxlovid (Virostatikum gegen Corona-Infektion). Ich hätte noch Voltaren Gel benötigt, das käme beim nächsten Mal mit auf meine Liste.

Fitness

In den Monaten Juni und Julia habe mehr für Bewegung gesorgt, als sonst. Zwei mal in der Woche Reha Sport, dazu wurden meine Spaziergänge mit Sherlock ausgedehnt.
Weil wir einen halbtägigen Ausritt auf Islandern planten, habe ich private Reitstunden genommen. Ich wollte meine früheren Reitkenntnisse (als Jugendliche) wieder auffrischen.

Besuch in der Klinik

Kurz vor der Reise habe ich um einen Routinecheck in der Uniklinik gebeten, an dem ich eine Infusion mit Immunglobulinen bekommen habe, um mich vor Infekten zu schützen. Normalerweise bekomme ich diese Infusion nur im Winter, meine Ärzte haben dieses Mal wegen der Reise eine Ausnahme für mich gemacht (Danke, Uniklinik Düsseldorf 😊).

Gepäck

Ich habe mir neue Wanderschuhe und eine gute Trekking-Jacke gekauft. Ich kann aber schon an dieser Stelle sagen – eine richtig dicke Winterjacke wäre besser gewesen!

Wie war unsere Reise nach Island? Meine Erfahrung

Schon vom ersten Tag an war ich von diesem Land begeistert. Island zeigt kurz, nachdem man Reykjavik hinter sich lässt, wundervolle Landschaften, die von Vulkanen, Bergen, Gletschern und Lavafeldern geprägt sind. Dazu immer wieder Wasser, das entweder von oben als Wasserfall oder heiß blubbernd als heiße Quelle aus der Wiese fließt.
Ich möchte meine Begeisterung kurz beschreiben: Ich habe mich gefühlt, als befinde ich mich 14 Tage lang in einem „Herr-der-Ringe-Fantasy-Szenario“. Jeden Moment erwartete ich Gandalf auf einem weißen Pferd um die Ecke herangalloppierend.

Island Landschaft
Meine Lieblingslandschaft an der Südküste Islands

Diese Faszination für die Insel begleitete mich emotional die ganze Zeit.

Meine wichtigsten Erkenntnisse

  • Es war kalt.
    Wir hatten durchschnittlich 5 bis 10 Grad, aber durch den kalten Wind fühlte es sich wie Null Grad an. Um das auszuhalten, zog ich täglich vier bis fünf Schichten an, Skiunterwäsche aus Merinowolle, besonders die lange Skiunterhose, sowie eine ganz dicke Fleecejacke halfen. Man gewöhnte sich daran.
  • Wir haben viel Zeit im Auto verbracht, um die Insel zu umrunden. Mehrfach auf der Strecke hielten wir an, wanderten ein Stück zu einem Wasserfall, oder um einen Krater, um danach wieder weiterzufahren (und dabei wieder Jacken an, Jacken aus, Schal, Mütze an, etc). Durch die Autofahrten war die Reise körperlich nicht zu anstrengend für mich.
  • Aktivtouren: Wir hatten am dritten Tag einen halbtägigen Ausritt gebucht, und waren sehr nervös davor. Ich habe mich immer wieder gefragt: Schaffe ich das? Mehrere Stunden auf dem Pferd mitten auf Island?
    Aber: Wir hatten Glück – Unser Reitausflug fand bei traumhaften Wetter (10 Grad und blauer Himmel) statt. Die Pferde waren sanft, ruhig, wir sind drei Stunden durch pure Natur geritten und es war weder anstrengend noch gefährlich. Mein Traum hat sich erfüllt. Wer Islandpferde kennt, weiß, dass sie eine tolle Gangart haben, die sehr bequem ist: der Tölt. Ich hätte noch stundenlang weiterreiten können und hatte keinen Muskelkater!
Islandpferde
Mein Traum hat sich erfüllt – mit dem Pferd einen Tag durch Island reiten…

Wie machten eine Whale-Watching Tour im Norden von Island. Die Tour dauerte drei Stunden, wir bekamen spezielle Overalls, die wir über unsere Kleidung drüberziehen konnten. Dennoch war ich danach durchgefroren.

Buckelwal Island
Unser erster Wal auf Island – ein Buckelwal..
Whale Watching Island
Die knallroten Overalls waren ein bißchen groß :-)

Wanderungen: wir haben mehrere Wanderungen von einer Länge von 5 bis 9 Kilometern gemacht. Das Gelände war steinig, aber mit guten Schuhen und Jacken, die man an- und ausziehen konnte, wenn es zu warm wurde, war das kein Problem. Normalerweise wandere ich nicht so lange, aber in dieser faszinierenden Landschaft habe ich nicht gemerkt, wieviel Strecke ich machen kann. Ich habe alles um mich herum vergessen.

wanderung in Island
Wanderung auf einen erloschenen Vulkan
  • Wir haben mehrfach in heißen Pools gebadet. Die heißen Quellen in Island findet man nicht nur in fast jedem Hotel, sondern auch mitten in der Natur. Sie haben zwischen 35 und 45 Grad Temperatur, so dass man auch bei kaltem oder nassen Wetter die Wärme genießen kann. Ein solches Bad war für mich am besten abends nach dem Essen, weil ich sehr, sehr müde danach geworden bin 😊)
  • Am fünften Tag bin ich krank geworden. Ich bekam hohes Fieber und Schüttelfrost, vermutlich ein Virusinfekt, ausgelöst durch eine Verkühlung auf dem Boot zur Walbeobachtung. Der nächste Arzt wäre über 50 km abseits von unserer geplanten Route gewesen, es hätte uns ein Tag gekostet, dorthin zu fahren.
    Geholfen hat mir Ibuprofen, täglich 800 mg, Hustensaft, Paracetamol und viel Schlaf. Wir haben unsere Tour dennoch wie geplant fortgeführt. Allerdings bin ich beim zwölften Wasserfall des Tages nicht mehr ausgestiegen, sondern im Auto geblieben, um nicht kalt zu werden. Durch meine Immunsuppression bedingt, bin ich gewöhnlich bei einem Infekt länger als eine Woche krank. Dieses Mal dauerte es nur vier Tage – so schnell bin ich noch nie wieder gesund geworden.
    Ich vermute, die trockene Luft auf Island hat geholfen, dass mein Infekt dieses Mal nicht so lange gedauert hat. Oder meine Psyche – ich wollte nichts verpassen von unserer Traumreise und war trotz des Fiebers immer noch glücklich, in diesem Land sein zu dürfen.

Mein Fazit: Mein Traumreise mit Einschränkungen

Ich bin überglücklich, diese Reise gemacht zu haben. Durch eine gute Vorbereitung, aber auch durch die wundervolle Begleitung von meinen Lieblingsmenschen, wurde die Tour für mich trotz einer fünftägigen Erkrankung zum uneingeschränkten Erlebnis. Fast fünf Tage lang war ich krank, und konnte trotzdem alle HIghlights miterleben.

Als Patient nach einer Stammzelltransplantation muss man bei Reisen mit allem rechnen. Auf Island gibt es zwar eine gute medizinische Versorgung, allerdings überwiegend im Ballungsgebiet rund um Reykjavik. Außerhalb der Südwest-Halbinsel findet man kaum Ärzte, geschweige den Krankenhäuser. Daher ist es wichtig, genügend Medikamente mitzunehmen. Für den Fall, dass man dennoch etwas unerwartetes braucht, gibt es Apotheken allerdings auch diese nur alle 50 bis 100 Kilometer entlang der Ringstraße.

Manchmal muss man auch ein bisschen Glück haben und darauf vertrauen:
Wir hatten Glück mit dem Wetter (es hat nur einen Tag geregnet), ich hatte Glück, dass ich nicht lange krank und beeinträchtigt war, und wir hatten Glück damit, dass wir alle vier dieses Land mit seinen Widrigkeiten und Unwegsamkeiten so geliebt haben.

Mein magischster Moment auf dieser Island-Reise

Zum Abschluss möchte ich noch meinen allerschönsten Moment auf dieser Reise mit Euch teilen:

An einem Abend im Süden Islands (Dyrholaye) sind wir nach dem Abendessen noch einmal an die Küste gefahren, um die kleinen Papageientaucher zu suchen. Die Saison für die kleinen Kerlchen war fast vorbei, Mitte August ziehen sie sich aufs Meer zurück und kommen erst im Frühjahr wieder ans Land.
Wir gingen auf eine hoch gelegene Klippe hoch, als in diesem Moment die Sonne langsam unterging. Unter uns die beiden schönsten schwarzen Strände Islands, im Hinterland sah es nach einem Game-of-thrones Film aus. Es war fast windstill, als die Sonne die ganze Szene in glitzerndes orange-rotes Licht tauchte.

Dyrholaye island
Der Sonnenuntergang am Kap ….
Südspitze Island
…tauchte den berühmten Felsen in ganz warmes Licht.

Ich war in diesem Moment total zufrieden und eins mit mir – ich spürte keine Kälte mehr, kein Fieber mehr und ich wusste, ich möchte noch stundenlang an diesem Ort verweilen.
Ein paar Minuten später entdeckten wir sie zufällig, direkt unter uns, auf dem grün bewachsenen Felsen – die kleinen Puffins.

Papageientaucher Island
Die Papageientaucher sind nicht leicht zu finden – aber sie sind sehr tollpatschig und hübsch.
Foto: @T.Redel

Bevor wir uns dann fast in der Dunkelheit zurück auf dem Weg zum Auto machten, fiel uns ein dunkler Schatten direkt an der Küstenlinie in der Brandung auf. Was soll ich sagen – es war ein Wal, der nicht nur einmal auf und abtauchte, sondern minutenlang fröhlich in den Wellen spielte. Als wollte er uns auf die Schönheit dieses Momentes und des wundervollen Landes aufmerksam machen.

Voller Dankbarkeit kehrten wir an diesem Abend zurück – diesen magischen Moment werde ich noch lange in meinem Herzen tragen.

Danke, dass du mich hier auf dieser Reise begleitet hast.

Bist du selbst nach deiner Stammzelltransplantation auch schon einmal weiter weg gereist?
Kannst du wieder größtere Unternehmungen machen?
Oder mit welchen Problemen kämpfst du auf Reisen?
Schreibe es mir doch in die Kommentare, ich bin sehr gespannt!

1 Kommentar zu „Aktiv-Urlaub nach Stammzelltransplantation – Meine Erfahrungen in Island“

  1. Liebe Annette,
    Wunderschön geschrieben! Deine Begeisterung für dieses vielfältige Land kommt in jeder Zeile rüber. Glückwunsch, dass du das so gut geschafft hast, aber du WOLLTEST es ja auch! Ich fand Island 2021 auch ohne körperliche Probleme damals sehr anstrengend. Aber man gerät ja so in einen Rausch, dass man einfach alles mitnehmen will! Bei uns damals mehr der Foto-Rausch
    Wir hatten Glück- es war in der Corona-Zeit alles sehr günstig und nicht überlaufen, vor allem die Chinesen durften noch nicht hin! Wir sind auch noch nicht fertig mit Island, müssen aber vorher noch im Lotto gewinnen….
    LG Beate

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