Jahresrückblick 2023

12 Jahre nach Stammzelltransplantation – bin ich wieder gesund?

Es ist kurz vor Silvester, und damit wieder Zeit für einen Jahresrückblick, für einen Blick nach hinten, bevor uns das nächste Jahr unerbittlich nach vorne treibt. Als Patientin nach zwei Krebserkrankungen ist der Faktor Zeit ein besonders wichtiger. Darum liebe ich es, mir Fragen zu stellen, was mich im vergangenen Jahr besonders beschäftigt hat. Oder – was habe ich in den letzten 12 Monaten gelernt? Was hat mich beeindruckt und was für ein Gefühl nehme ich mit aus diesem Jahr 2023, das so vielseitig war wie nie zuvor? Wenn du Rückblicke auch so magst wie ich, nehme ich dich gerne mit auf meine kleine Reise durch das letzte Jahr.

Gesundheitliches

In diesem Jahr, zwölf Jahre nach meiner Knochenmarktransplantation, habe ich ein Leben geführt, fast wie wenn nichts gewesen wäre. Das ist nicht nur für mich, sondern auch für anderen Patienten nach Stammzelltransplantation, eine gute Nachricht. Ich habe mich gefühlt wie ein Auto auf einer Einfädelspur zur Autobahn der Normalität.

Aber wie war das nun genau:
Wie zuvor habe ich meine 12 Medikamente täglich eingenommen, darunter meine Immunsuppression. Ich bin regelmäßig zur Nachsorge in die Uniklinik gefahren, wo meine Blutwerte minutiös kontrolliert wurden.

Universitätsklinikum Düsseldorf
In der Uniklinik Düsseldorf bin ich regelmäßig zur Nachsorgeuntersuchung.


Das Hauptthema meiner Medikamente, die ich einnehme, ist die Immunsuppression. Seit 2015 ist mein Immunsystem unterdrückt, um die GvHD unter Kontrolle zu halten. Das Jakavi begleitet mich nun schon fast 8 Jahre und hat mich wenig beeinträchtigt. Du kannst dir sicher vorstellen, dass ich immer wieder dankbar dafür bin, dass es dieses Medikament gibt und ich es regelmäßig verschrieben bekomme. Seit dem Herbst versuche ich, die Dosierung herunterzufahren, denn das Ziel ist, genauso wie beim Cortison vor einigen Jahren, ganz ohne Jakavi gut zu leben. So bin ich zurzeit bei 15 mg täglich, mein Ziel ist es, Ende Januar nur noch 10 mg einzunehmen.

Die Folgen der Immunsuppression

Im Februar hatte ich eine heftige Bronchitis, die mich leider in unserem Familien-Skiurlaub im österreichischen Zillertal sehr beeinträchtigt hat. Wie so oft, dauerte es zwei ganze Wochen, bis ich wieder halbwegs auf den Beinen war.
Der nächste Infekt kam im Sommer – wieder kurz vor unserem Urlaubsaufenthalt in Holland. Dieses Mal hatte ich länger damit zu tun, denn zu dem Atemwegsinfekt gesellten sich bald eine Blasenentzündung und in der gleichen Woche eine Bindehautentzündung. Ich hatte sehr schnell eine gute Beziehung zum den niedergelassenen holländischen Arzt in unserem Dorf vor Ort, der fleißig Antibiotika verschrieb – leider nicht alle mit Wirkung. Wie gut, kann ich da nur sagen, dass wir gute Freunde in der Feriensiedlung haben, die selbst Mediziner und Apotheker sind. Mit vereinten Kräften und Wissen bekam ich nach drei Wochen die zuverlässigen Medikamente und konnte die letzten drei Wochen des Sommers voll und ganz genießen.

Krank im Sommer

Ich habe mich natürlich gefragt, warum ich ausgerechnet im Hochsommer, wo wir alle uns viel draußen aufhalten und die kleinen Viren eigentlich nicht so viel übertragen werden, krank werde. Der Grund ist ein einfacher: In den Wintermonaten erhalte ich monatlich eine Infusion mit Immunglobulinen (Gammunex®) . Diese Antikörper, schützen mich im Winter vor vielen Infekten. Die Erfahrung, die ich mit den Immunglobulinen seit nunmehr 6 Jahren gemacht habe, sind grandios. Ich bin viel weniger krank gewesen. Meine Infekte in diesem Sommer hatten dagegen keine Immunglobuline, die verhindert hätten, sich in meinem Körper breit zu machen.

Ich weiß nun, wie wichtig meine monatliche Infusion ist und freue mich richtig darauf, in die Klinik zu fahren und mir die Nadel in die Vene legen zu lassen. Natürlich sind die Kosten recht hoch und es ist verständlich, dass diese Therapie für die Sommermonate nicht gerne verordnet wird. Für mich heißt das, im nächsten Jahr in der Zeit ohne Infusionen besonders achtsam und vorsichtig zu sein, um den Sommer mal ohne Grippe oder Bronchitis überstehen zu können.

Corona in 2023?

Ich bin in diesem Jahr von Corona verschont geblieben. Dies ist erwähnenswert, weil die Infektionszahl seit dem Spätsommer wieder anstieg. Ich war über mein Immunsystem positiv überrascht, denn ich habe Anfang Oktober eine zehnstündige Autofahrt mit meinem Schwager und Schwägerin ohne Ansteckung überstanden hat, obwohl beide am nächsten Morgen einen positiven Coronatest vorfanden.
Auch hier kann ich nur dankbar sein – es scheint so zu sein, dass mein Körper sich nach so vielen Jahren nicht mehr jedem Keim nachgibt und Raum gibt. In diesen Jahren haben sich meine Blutzellen, die Abwehrkräfte und das blutbildende System so erholt, dass sie sogar Coronaviren abwehren können. Ein Segen und ein kleines Wunder für mich.

Meine persönlichen Highlights in 2023

Seminar „Neue Wege“ – Loslassen von Gewohnheiten und Ängsten

Im Februar habe ich bei Klaus Frey ein Seminar zur Selbstfindung gemacht. Das 4tägige „Charisma“ Seminar führte mich in ein Bewusstsein über gewohnte Denkstrukturen, Ängste und Sorgen. Mit vielen meditativen Übungen, Traumreisen, aber auch Übungen und Gesprächen mit anderen habe ich alte Fähigkeiten und Stärken wiederentdeckt, die durch meinen jahrelangen Fokus auf dem „Kranksein“ verdrängt waren. Es ist schön zu lernen, aufmerksam und achtsam zu werden – für mich selbst und auch achtsam mit anderen. Ein unglaubliches Erlebnis, das mich noch lange danach geprägt hat und was ich hoffe, mir behalten zu können.

Die Leipziger Buchmesse

Mein Verlag hat für mein Buch „Annas Blut“ eine Lesung auf der Leipziger Buchmesse angemeldet – was für ein besonderes Erlebnis für mich. Ich habe mich gefreut, zwanzig Minuten vor einer kleinen, aber interessierten Audienz von zwanzig bis dreißig Zuhörern aus dem fünften Kapitel meines Buches vorlesen zu dürfen. Der Roman handelt von einer Wettermoderatorin, die durch eine Leukämie-Diagnose und nachfolgender KMT mitten aus ihrem aktiven Leben herausgerissen wird. Ich habe versucht, zu dem Text aus dem Buch nachfolgend auch Hintergründe zu der Therapie allgemeinverständlich vorzutragen. Da mir die Lesung großen Spaß gemacht hat, hoffe ich ähnliche Veranstaltungen im nächsten Jahr in ähnlicher Form halten zu können. Hier kannst du mehr über die Lesung erfahren.

Lesung Leipziger Buchmesse 2023 aus Annas Blut
Meine Lesung auf der Leipziger Buchmesse
Leipziger Buchmesse 2023 Lesung
Ich durfte auch einige Bücher signieren.

Sechs Wochen am Meer

Wir haben das Glück, ein kleines Ferienhaus an der holländischen Küste zu besitzen. In all den Jahren zuvor haben wir uns dort nie länger als drei Wochen am Stück im Sommer aufgehalten. Dieses Jahr sah ich die Chance, mich für sechs Wochen aus Aachen zurückzuziehen – ich wurde dort nicht gebraucht – was für ein gutes Gefühl.
Auch, wenn ich dort mit meiner Bronchitis und den Antibiotika zu Beginn zu kämpfen hatte, habe ich es als besonders empfunden, so lange Zeit am Meer zu wohnen. Es ist einfach ein Unterschied, wenn man jeden Abend zum Sonnenuntergang mit dem Fahrrad ans Wasser fahren kann und bei Wind und Wetter (meist Sonne in diesem Sommer!) an den Strand gehen zu können. Unser Spaniel Sherlock hat es genauso geliebt wie ich!

Arbeiten und Ehrenamt

Im Herbst habe ich meine Biologie-Dozententätigkeit wieder aufgenommen. Dieses Jahr stand die Mikrobiologie besonders im Vordergrund: Für die operationstechnischen Assistenten musste ein ganz neues Konzept her. So habe ich mich noch intensiver als sonst mit Viren, Bakterien und den damit zusammenhängenden Erkrankungen beschäftigt. Mein Wissenschaftlerinnen-Herz hat wieder laut geschlagen: Mir hat es großen Spaß gemacht, endlich zu wissen, wer der Erreger der Tuberkulose ist, wie eine Malariainfektion zustande kommt, und wie man sich gegen all diesen Mist schützen kann.

Übrigens – nicht, dass du denkst, ich könnte nach meiner Stammzelltransplantation wieder Vollzeit arbeiten. Ich unterrichte im Winterhalbjahr 1-2 mal pro Woche eine Doppelstunde. Im Oktober kommt eine Unterrichtsreihe von einer Doppelstunde täglich über drei Wochen dazu. Damit fühle ich mich gut ausgelastet, aber nicht überlastet.

Daneben habe ich im Kreis des Tangent Clubs 58 Aachen im Ehrenamt viele Aktionen gestartet und koordiniert. So haben wir den Weihnachtspäckchenkonvoi 2023 mit vielen Päckchen unterstützt, die wir bei Grundschulen und Kindergärten eingesammelt und umverpackt haben. Dieser Konvoi fährt jedes Jahr von der deutschen Sammelstelle in Hanau aus in die vier Länder Bulgarien, Rumänien, Moldawien und die Ukraine und verteilt an tausende von Kindern Weihnachtspäckchen mit dem nötigsten und auch dem einen oder anderen Spielzeug.

Päckchen für den Weihnachtspäckchenkonvoi
Wir haben an einem Nachmittag über 400 Päckchen verpackt.


Im Dezember haben wir Ladies des Clubs auf einem Stand am Aachener Weihnachtsmarkt selbstgebackenes, Marmeladen und Liköre für einen guten Zweck verkauft.

Ladies Circle 58 Aachen und Tangent Club 58 Aachen
Zusammen mit Irena vom Ladies Circle Aachen auf dem Weihnachtsmarkt


Ich freue mich, auf diese Weise meine Ressourcen, Zeit und Geld, für andere investieren zu können und ein wenig von dem Guten, was mir während meiner Krankheit widerfahren ist, zurückzugeben.

Verlängerter Sommer

Bist du schon einmal im Herbst oder Winter in den Süden geflogen?
Für mich war es in diesem Jahr das erste Mal. Wir haben Anfang November eine Woche Familienurlaub auf Fuerteventura gemacht. Ich war sehr dankbar für den verlängerten Sommer mit Sport, Segeln, Surfen, Fitnesskursen und Lieblingszeit zusammen zu fünft.

Surfen auf Fuerteventura
Okay, es sieht auf dem Bild nicht sooooo sportlich aus…

 Meine 5 Glücksmomente in 2023

  • Der Moment, als sich meine Aufregung wöhrend der Lesung auf der Leipziger Buchmesse legte und ich einfach begann, zu erzählen und zu lesen
  • Der Tag an dem ich mich im Sommer endlich getraut habe, unser schnelles Laser-Segelboot alleine zu steuern – ich kann es ja doch!
  • Mit Sherlock auf dem Segelboot: Ich wollte unseren Spaniel eigentlich nicht mit aufs Boot nehmen, das Boot ist recht eng und die Reling sehr hoch. Man muss Sherlock eigentlich über die Reling heben – was wäre, wenn er runterfällt? Stattdessen lernte er an einem Vormittag, wie ein kleiner Helikopter darüber zu springen und fand es ganz normal., auf dem Boot mit uns zu leben.
  • Die ganze Familie gleichzeitig auf dem Meer: Gemeinsames Surfen vor Fuerteventura, 5 Surfbretter, 5 Menschen, konzentriert nur auf den Wind und die Wellen – einzigartig.
  • Unsere Weihnachtsfeier vom Tangent Club 58 – bei meiner Abschlussansprache schlug mir so viel Wärme, Freundschaft und Freude entgegen.

Was kommt im nächsten Jahr?

Nimmst du dir Vorsätze für das neue Jahr vor?
Ich finde es reizvoll, mich gegen Ende eines Jahres mit den Dingen zu beschäftigen, die ich im nächsten Jahr erreichen möchte. Aber ich möchte eigentlich nicht zu viele Ziele festlegen – auch, weil das neue Jahr selbst oft seine eigene Dynamik entwickelt!

  • Ich möchte Bewegung in meinen Alltag einbauen – mein aktiver Hund, Reha Sport, viel Schwimmen im Sommer, das sind die Basics.
  • Mein Immunsystem wird mich weiter beschäftigen – Immunsuppressiva auf Dauer in absetzen (Dosierung reduzieren) und möglichst lange Therapie mit Immunglobulinen im Winter
  • Vorsorgeuntersuchungen stehen für Anfang des Jahres an – Gynäkologie und eine Darmspiegelung (Hilfe…😊), eine Knochendichtemessung
  • Für die Psyche/ Seele – mich mit lieben Menschen treffen, die mir gut tun, und gute Bücher lesen
  • Mein Buch „ Annas Blut“ neu auflegen – im Frühjahr wird es soweit sein. Dann kann ich die vielen Nachfragen danach wieder erfüllen.
  • Meinen Blog vermehrt mit Artikeln und neuen Themen füllen. Ich freue mich drauf.
  • Ins Tun kommen – weniger Zeit am Handy und mit Social Media verbringen (Okay, das wird schwer sein, aber das Bewusstsein alleine ist ein guter erster Schritt.)
Springer Spaniel
Sherlock und ich wünschen allen Lesern ein gutes, gesundes neues Jahr!

Ganz schön viel für 2024 – aber ich freue mich drauf!

Welches waren Deine wichtigsten Momente in 2023? Mit was für einem Gefühl gehst du in neue Jahr? Schreibe mir doch gerne in die Kommentare, ob dich das eine oder andere in meinem Rückblick an deine eigene Situation erinnert hat.

5 Kommentare zu „12 Jahre nach Stammzelltransplantation – bin ich wieder gesund?“

  1. Stefan Hamacher

    Liebe Netti, vielen Dank für diese schönen und anregenden Gedanken zum vergangenen Jahr. Für das neue Jahr alles Gute und viel Erfolg bei Deinen Vorhaben

  2. Liebe Annette,
    schön, diesen Rückblick zu lesen und dich dadurch ein bisschen kennenzulernen! Ich finde es toll, wie aktiv und respektvoll du dein Leben gestaltest 12 Jahre nach der Transplantation. Ich wünsche dir, dass du genau so weitermachen kannst!
    LG Beate

    1. Liebe Beate, vielen Dank für dein Feedback und deine lieben Wünsche!
      Ich glaube, dass viele Menschen, die vor einer solchen Therapie stehen, sich gar nicht vorstellen können, wie das Leben danach aussieht. Es gibt natürlich Aufs und Abs, damit muss ich auch noch weiter rechnen. Aber ich weiß, dass viele Patienten Jahre nach der Transplantation wieder recht gut im Leben stehen. Und das möchte ich allen bewusst machen.
      Alles Liebe, Annette

  3. Liebe Annette,
    es tut so gut, mal etwas Positives von anderen Stammzellentransplantierten zu erfahren. Vielen Dank für diesen tollen Jahresrückblick!
    Meine KMT ist nun schon 34 Jahre her und rückblickend kann ich nicht über alle Jahre gute Dinge berichten. Aber immerhin habe ich jedes Mal die Kurve gekriegt und kann heute ganz gut mit Mann, zwei Katzen und auch zwei Jobs leben. Vormittags als Pädagogin für Inklusion in der Schule und nachmittags als Bilanzbuchhalterin.
    Zur Kontrolle muss ich natürlich auch regelmäßig in die Klinik und zu mehreren Ärzten, heute war ich zum Beispiel beim Kardiologen.
    Wieder eine Anlaufstelle mehr, die ich nun regelmäßig aufsuchen muss.
    Mein tollstes Erlebnis 2023 war übrigens ein gemeinsamer Erholungsurlaub mit meinem 85-jährigen Vater. Für dieses Jahr habe ich zwei Fortbildungen geplant, eine in Ulm und die andere in Mainz.
    Ich hoffe, dass auch Du Deine Ziele erreichen wirst – nicht nur in diesem Jahr.
    Liebe Grüße
    Sylvia

    1. Liebe Sylvia, vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich finde es sehr interessant, von Dir zu hören, dass Deine Stammzelltransplantation schon über dreißig Jahre zurückliegt! Und du hast recht – die Anzahl der Ärzte, die auch ich regelmäßig aufsuchen muss, ist groß. Deshalb Respekt, dass Du das neben einem anscheinend vollen Arbeitstag alles unterbekommst.
      Herzliche Grüße, Annette

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