Roman schreiben

Einen Roman schreiben – was Guido Westerwelle mit meinem Traum vom eigenen Buch zu tun hat

Schon immer wollte ich einen Roman schreiben. Ich fing mit kleinen Geschichten an. Mit meiner alten Schreibmaschine schrieb ich als Jugendliche seitenweise Episoden für die Serie Raumschiff Enterprise. Ich liebte es, in diese Welt abzutauchen, und mir neue spannende Geschichten auszudenken.

Da ich mich nach der Schule dafür entschied, meiner Liebe zu Naturwissenschaften nachzugehen, wurde es in den folgenden Jahren immer wichtiger für mich, wissenschaftliche Texte zu schreiben. Klar, das mochte ich auch. Im Studium schrieb ich wilde Zusammenfassungen der Vorlesung zur Evolution der Tiere, und meine Doktorarbeit führte mich tief in die molekularbiologischen Vorgänge der Hefepilze. Auch eine faszinierende Welt. Nur das Schreiben war anders, strukturierter, weniger phantasievoll.

Das Biologiestudium bot viele neue Herausforderungen

Nach meiner Knochenmarktransplantation war alles anders

Als ich in 2011 meine zweite Krebsdiagnose bekam und mich der Knochenmarktransplantation unterziehen musste, befand ich mich 5 Wochen lang auf der Isolierstation einer Klinik. Natürlich war nichts naheliegender, als diese Grenzerfahrungen schriftlich festzuhalten.  Mein Computer-Tagebuch  half mir, mich abzulenken, Erlebtes zu verarbeiten, und manchmal schickte ich Tages-Zusammenfassungen in der sterilen einsamen Krankenhauswelt an meine Lieben dort draußen, in der normalen Welt.

Die Tagebucheinträge wurden immer besser. Sie wurden immer positiver, weil ich es tatsächlich schaffte, die Transplantation ohne Komplikationen zu überstehen.

Nach einigen Jahren, in denen ich damit beschäftigt war, wieder in die Normalität zu kommen, wurde mir in einer Reha ein Buch, ein Erfahrungsbericht eines Patienten nach KMT vorgelegt. Ich verschlang das Buch in einem Rutsch, weil es in mir viele Erinnerungen weckte. Aber: es war sprachlich und strukturell so schlecht geschrieben, dass ich dachte: Das kannst Du besser!

Mir fiel mein kleines Tagebuch aus der Klinik wieder ein, das wäre eine gute Basis.

Doch, wer sollte das lesen wollen? Interessiert ein Roman über eine Knochenmarktransplantation wirklich die Welt da draußen? Ich bin doch nur eine kleine Patientin, eine von 3.000 pro Jahr, die in Deutschland transplantiert werden.

Ich habe weiter gezweifelt – bis im März 2016 Guido Westerwelle starb. Mir fiel sein Buch in die Hände, das er kurz vorher veröffentlicht hatte und in dem er von seiner Stammzelltransplantation berichtete. Auch dieses las ich sehr schnell durch. Und merkte, dass es einen wirklichen Mehrwert hat, Bücher von Menschen zu lesen, die gleiches erlebt hatten, wie man selbst.

Also vielleicht doch mein Buch schreiben? Auch, wenn ich nicht prominent bin?

Im Jahr 2017 musste ich meine Arbeitsstelle aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Der nächste Schubs des Schicksals. Irgendwer wollte, dass ich ganz viel Zeit hatte, um mein Buch zu schreiben.

Die Entscheidung: Ich fange endlich an, meinen Roman zu schreiben!

In Gedanken hatte sich die Geschichte schon weiter entwickelt. Es sollte kein autobiografischer Roman werden, sondern eine fiktive, unterhaltsame, spannende und bewegende Geschichte. Die Geschichte von Anna, einer Frau, die mitten im Leben steht, und durch eine Leukämie-Diagnose und eine Knochenmarktransplantation daraus herausgerissen wird. Und die sich nicht damit abfinden kann und viele Hindernisse zu überwinden hat, bis sie zu sich selbst und zu einem wieder lebenswerten Leben findet.

Schreibhain Autorenausbildung
Im Schreibhain schrieben wir jeweils ein ganzes Wochenende lang

Aber wenn ich den Roman schreibe, dann möchte ich es richtig lernen, dachte ich. Ich meldete mich für die Autoren Ausbildung bei einer renommierten Schreibschule an und begann den18 monatigen Kurs in Berlin im Oktober 2017.

Dort trafen wir uns in einer Gruppe von 12 Schreiberlingen einmal im Monat für ein ganzes Wochenende. Zwei Tage lernen, diskutieren und vor allen Dingen – Schreiben! Zunächst fühlte ich mich sehr fremd dort, meine Mitstreiterinnen waren jung, hübsch, selbstbewusst. Und:  Sie konnten schreiben! Die ersten Texte, die vorgelesen wurden, ließen mich mit offenem Mund staunen. Etwas schüchtern stellte ich meine Romanidee vor. Ich wollte über Krankheit und Krankheitsbewältigung schreiben – ob das wohl eine gute Idee wäre?

Das Feedback dazu war überwältigend. „Mach das!“ „So ein bewegendes Thema!“ „Was für ein schöne Idee – Du kannst so vielen Menschen Mut machen!“

Von diesem Moment an wusste ich, dass ich auf dem richtigen Weg war. Gemeinsam mit meinen Mitstreiterinnen stürzte mich in Themen wie Plot, Figurenentwicklung, Heldenreise und Show don´t tell. Wir lernten bei den bekannten Autorinnen Tanja Steinlechner und Astrid Ule von Ule Hansen.

Meine Geschichte wurde geformt, der Spannungsbogen aufgebaut, und ich geriet immer mehr in den Schreibflow.

Die Handlung meiner Geschichte wurde fünfmal umgeplant. Das Ende verwarf ich dreimal. Mindestens zwei Figuren verschwanden von meiner Figurenliste. Eine Nebenfigur veränderte ich charakterlich total.

Anna und ich – von nun an immer zusammen

Meine Hauptfigur Anna begleitete mich von an nun durch den Alltag. Wenn ich im Auto saß und nach Düsseldorf in die Klinik fuhr, saß Anna neben mir. Bei Spaziergängen mit meinem Hund flüsterte sie mir ihre Erlebnisse mit Lola ins Ohr. Ich machte mir viele hundert mentale Notizen.  Manchmal sprach ich Annas Dialoge laut unter der Dusche vor mich hin.

Es wurde fast zu einem Problem, dass ich mehr in Annas Geschichte lebte, als in der Realität. Mein Mann kann ein Lied davon singen. Nicht selten maulte ich ihn unberechtigterweise an, weil Annas Ehemann doch so ein Idiot war. Sorry, Thomas, da haben sich die Realität und die Wirklichkeit kräftig vermischt…

Meine Tochter ging für ein halbes Jahr nach Kanada. Die Abschiedsszene, in der Annas Tochter für längere Zeit in die USA reiste, schrieb ich einen Tag vor dem Abflug meiner Tochter, tränenüberströmt. Interessanterweise half mir das, den nachfolgenden tatsächlichen Abschied besser zu verkraften. Geweint habe ich trotzdem.

Abschied
Abschied für mehrere Monate – in der Realität sah es so aus

Im zweiten Teil von Annas Blut taucht Annas tierische Begleiterin auf:  Lola, die große sanfte Berner Sennenhündin hilft ihr, wieder mobil zu werden und bringt ihr psychische Stabilität.

Lola gab es wirklich. Sie war meine seelische Stütze in schweren Zeiten. Leider verstarb sie 3 Jahre später an einem Lymphom, einer ähnlichen Krankheit, wie ich sie hatte. Das Schicksal macht manchmal merkwürdige Kapriolen.

Berner Sennenhündin 6 Jahre
Lola, mein Seelenhund

Am produktivsten schrieb ich an meiner Geschichte im Sommer 2019, als ich mit meinem zweiten Berner, Sammy, mehrere Wochen in unserem Ferienhaus an der holländischen Küste verbrachte. In dieser Zeit schrieb ich den Wendepunkt der Geschichte – die emotionalste Szene des ganzen Buches. Zwischen Schreiben, Zittern vor Aufregung, Tränen wegwischen und Freude über gelungene Textstellen, schubste Sammy mich mit seiner Pfote an und wir liefen danach beide wie befreit am Strand den Wellen entgegen. Es war eine wundervolle Zeit.

Unsere Autorenausbildung endete im Mai 2019 mit einem Pitch. Bei dieser Veranstaltung durften wir Autoren/innen selbst unsere Geschichten vor Vertretern von Verlagen und Literaturagenten präsentieren. Hilfe, was waren wir aufgeregt. Der Tag war ein Highlight meiner Ausbildung, wir freuten uns alle über unsere gelungenen Texte und Auftritte und unterstützten uns gegenseitig mit Aufmunterung, Lob und Bewunderung.

Danach hieß es, mein Buch fertig schreiben, alleine, ohne die motivierende, schiebende Kraft der Gruppe. Wir haben uns zwar voneinander verabschiedet, aber eine kleine Gruppe blieb übrig, mit der ich mich immer noch regelmäßig treffe. Auch, wenn wir uns mittlerweile nur noch online sehen, sind wir in ständigem Kontakt geblieben. Wir schickten uns kleine Auszüge aus unseren Texten und munterten uns auf, wenn es Absagen gab. Wir verfolgen fieberhaft bei einer jeden von uns, wie es mit den geplanten Romanen weitergeht.

Mir fiel das weiterschreiben leicht. Anna war in ihrem tiefsten Tal, hatte Job und Freunde verloren und musste sich nun wieder zurück in ein lebenswertes Leben kämpfen. Ich litt und fieberte beim Schreiben mit ihr mit.

Ein schöner Moment: Wenn man „ENDE“ unter das Manuskript schreiben kann

Im September 2019 konnte ich das Wörtchen „ENDE“ unter mein Manuskript setzen. 380 Seiten und viele Stunden waren vorbei. Ich war völlig aus dem Häuschen – ich hatte es geschafft! Mein erster Roman war fertig.

Roman fertig schreiben
Mein Roman ist fertig!

Naja, nicht ganz. Die erste Fassung ist immer Mist, so hatten wir es in der Ausbildung gelernt. Wusstet Ihr, dass jeder, wirklich jeder Schriftsteller, seine Roman mehrfach, bis zu zehnmal überarbeitet?

Die Überarbeitung machte mir sehr viel Spaß. Meine Geschichte wurde durch diesen Prozess von einem ungeschliffenen Rohdiamant zu so etwas wie ein schillernder, klarer Kristall. Wunderbar!

Im Februar 2020 klappte ich den Computer zu und druckte mein fertiges Manuskript aus. Als ich daran ging, mich um einen Verlag für die Veröffentlichung zu kümmern, war März. Und Corona-Lockdown.

Was das bedeutete, brauche ich niemandem zu erzählen. Durch die Coronakrise fiel die Leipziger Buchmesse aus, die Buchläden machten zu, und amazon lieferte wochenlang keine Print-Bücher aus – für die Buchbranche eine Katastrophe. Eine denkbar schlechte Zeit, ein Buch zu veröffentlichen. Ich war frustriert und wandte mich einem anderen Projekt zu, meinem Blog. Zum Glück machte mir das so viel Spaß, dass ich nicht merkte, wie schnell die Zeit verging.

Im Herbst schubste mich eine meiner Schreibfreundinnen wieder an. „Du bist doch fertig mit dem Roman, wie geht es denn jetzt weiter?“

Ich rief bei dem Verlag an, der bei unserem Pitch in Berlin Interesse bekundet hatte. Ja, ich sollte das Manuskript schicken. Sie wollten es ganz lesen und glaubten, die Geschichte veröffentlichen zu können.

Ich bin den ganzen Tag mit einem Grinsen im Gesicht herumgelaufen.

Nach meiner neunten Überarbeitung schickte ich das Manuskript zum Verlag. Innerhalb einer Woche kam das okay und bis Dezember hatten wir alle Formalitäten erledigt.

Die Aufgaben, die ich dann zu tun hatte waren spannend. Ich schrieb meinen eigenen Klappentext, meine eigene Autorenbiografie und überlegte mir ein wunderschönes Buch Cover. Ich lernte, dass man als Autor damit leben muss, dass der Verlag das letzte Wort hat. Meiner entschied sich für ein anderes Cover.

Annas Blut Roman
Der Klappentext von „Annas Blut“

Und wann kann man meinen Roman endlich lesen?

Mein Roman „Annas Blut“ erscheint Ende Februar 2021. Ich fiebere dem Tag der Veröffentlichung entgegen, denn es wird der Tag sein, an dem ich Anna und ihre Geschichte in die Freiheit lasse. Aus meiner Welt hinaus und hoffentlich in die Welt vieler Menschen, die aus dieser Geschichte genauso viele spannende und emotionale Momente mitnehmen, wie ich beim Schreiben. Annas Geschichte ist bewegend, mitreißend und vor allen Dingen Mut machend. Sie trägt meine Botschaft hinaus: Es geht immer wieder bergauf! Aus jeder Krise gibt es einen Ausweg.

Wie ist das bei Dir? Hast Du auch schon einmal in Deinem Leben gedacht, ein Buch schreiben zu wollen? Ich kann Dich nur ermutigen, es zu tun. Es ist ein langer Weg, aber er ist sehr erfüllend und bereichernd. Schreibe mir doch in den Kommentaren, ob Du auch mit diesem Gedanken schon einmal geliebäugelt hast.

Ich freue mich, dass Du mir bis hierhin gefolgt bist. Habe ich Dich vielleicht auch ein wenig neugierig auf Annas Geschichte gemacht? Schreibe mir gerne eine Mail oder einen Kommentar, was Du noch mehr von mir zu „Annas Blut“ erfahren möchtest.

8 Kommentare zu „Einen Roman schreiben – was Guido Westerwelle mit meinem Traum vom eigenen Buch zu tun hat“

  1. Ich bin ja so gespannt auf Dein Buch, liebe Annette. Und ja, ein Buch zu schreiben hatte ich schon mit Anfang 20. Das wurde mir dann ganz schnell von einem Buchhändler mit genau den Worten die Du Dir auch sagtest „Es gibt schon so viele Bücher“ ausgeredet. Doch mein Buch ist immer noch in mir. Ich weiß, ich werde es schreiben, wenn die Zeit reif ist.
    Alles Liebe und Gute für Dich
    Margaretha

  2. Ich bin ja so gespannt auf Dein Buch, liebe Annette. Und ja, ein Buch zu schreiben hatte ich schon mit Anfang 20. Das wurde mir dann ganz schnell von einem Buchhändler mit genau den Worten die Du Dir auch sagtest „Es gibt schon so viele Bücher“ ausgeredet. Doch mein Buch ist immer noch in mir. Ich weiß, ich werde es schreiben, wenn die Zeit reif ist.
    Alles Liebe und Gute für Dich
    Margaretha

    1. Liebe Margaretha, ich bin immer total happy, wenn jemand mir schreibt, dass er sich auf mein Buch freut! Und ich glaube ganz fest, dass Dir die Geschichte von Anna gut gefallen wird! Und, wenn Du Dein Buch noch in Dir hast – dann würde ich mich freuen, wenn Du es einmal in Worte fassen wirst. Irgendwann einmal! Lass es mich gerne wissen, wenn es soweit ist! Liebe Grüße, Annette

  3. Liebe Annette, wie schwierig es ist ein Buch zu veröffentlichen, weiß ich leider sehr genau. Deswegen: Hut ab, vor dieser Leistung, so viel Durchhaltevermögen und Ausdauer, Dran bleiben trägt durchaus Früchte wie man sieht.
    Herzlichen Glückwunsch zu deiner anstehenden Veröffentlichung. Das hast du dir mehr als verdient.
    Ich freue mich schon, wenn ich „Annas Blut“ lesen darf und wünsche dir gaaaaanz viele begeisterte Leserinnen und Leser.
    Herzlichst, die Nella

    1. Liebe Nella, vielen herzlichen Dank für Deine Kompliment! Ja, manchmal hätte ich auch am liebsten abgebrochen. Aber man lernt, mit Rückschlägen oder Gegenwind umzugehen. Ich bin sehr gespannt, wie Dir die Geschichte von Anna gefällt! Vielen Dank für Deinen lieben Kommentar, LG
      Annette

  4. Ich glaube, dass besonders schwere Krisen immer ein Punkt sind, an dem wir vielleicht mit dem Gedanken liebäugeln. Ich selbst habe mit 12 oder so angefangen, ein Buch zu schreiben. Das habe ich allerdings nicht zu Ende gebracht – zu viel hatte sich in dieser Zeit in Stil und Erzählperspektive verändert. Dann war die Idee lange nur ein „irgendwann“-Projekt. Heute denke ich darüber nach, ob ich ein Buch schreibe über das Jahr 2014. Weil es so dicht und so krass war. Episodisch vielleicht. Als Roman? Als Kurzgeschichtenband? Als Sachbuch? Ich weiß es nicht. Ich denke, es kommt, wenn es so sein soll. Viel Erfolg mit deinem Buch – auf dass viele etwas mitnehmen können aus Annas Erfahrungen und Erlebnissen :)

    1. Liebe Anna, das ist ja spannend, dass Du auch darüber nachdenkst. Du wirst bestimmt ein wunderbares Buch schreiben können – ich kann Dich nur ermutigen! Ich würde einen Roman oder ein Sachbuch von Dir auf jeden Fall lesen wollen! Danke für Deinen Kommentar!

  5. Pingback: Annas Blut – Ein Roman über eine Knochenmarktransplantation

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