Die Arzt-Patient Beziehung bei einer Knochenmarktransplantation

Wenn Du in eine Klinik für Deine Stammzelltransplantation gehst, wird es eine ganz wichtige Person für Dich geben: Deinen Arzt (oder Deine Ärztin), der dich in den nächsten 6 Wochen betreut.

Aber was kannst Du von ihm erwarten, wofür ist er zuständig? Wann solltest Du lieber die Schwestern befragen?

In diesem Artikel berichte ich, wie meine Arzt-Patient Beziehung während meiner Knochenmarktransplantation gewesen ist, und wie wichtig mein Arzt im Laufe der Jahre für mich war.

Die Aufklärung – nun erfährst du im Detail, was Dich erwartet

Arzt-Patient Beziehung beginnt bei der Einverständniserklärung
Die Arzt-Patient Beziehung beginnt bei der Einverständniserklärung

Dein Arzt wird Dich noch bevor Du stationär aufgenommen worden bist, in einem ausführlichen Gespräch über den Ablauf der Transplantation informieren. Wie bei jeder Operation gibt es für Dich eine Patienten-Einverständniserklärung, die die Risiken und den Nutzen der Therapie noch einmal zusammenfasst. Du hast das Recht auf diese ausführliche Information, bevor Du in die medizinische Behandlung einwilligt. Diese Patienten-Einverständniserklärung solltest Du genau durchlesen und danach unterschreiben.

Ich erinnere mich noch genau an die Stunde, die ich im Wartezimmer der Uniklinik saß um die Einverständniserklärung zu lesen und zu verstehen. Ich fand es angenehm, dass ich mir so viel Zeit nehmen konnte, wie ich wollte, und anschließend noch einmal das Angebot hatte, mit meinem Arzt meine ganzen Fragen zu klären. Denn das waren eine ganze Reihe.

Von Medikamenten-Beipackzetteln kennen wir ja die unerwünschten Nebenwirkungen, die in aller Ausführlichkeit aufgeführt sind. Bei der Knochenmarktransplantation ist das genauso. Kein Mensch liest gerne, dass die Haare 10-14 Tage nach der Chemotherapie ausfallen. Aber jeder Patient muss vorher darauf hingewiesen werden. Ich habe meinen Arzt also in einem langen Gespräch mit Fragen gelöchert. Das ging so lange, bis ich beruhigt war, dass zum Beispiel die schwere Lungenschädigung, von der ich gelesen hatte, sehr sehr selten auftritt. Das ist eine der wichtigsten Aufgaben Deines Arztes und Ihr werdet hier einen wichtigen Stein des Fundamentes für die Arzt-Patient Beziehung setzen können.

Jetzt wird es stationär – der Tag der Aufnahme und die erste Zeit in der Klinik

Der Tag der Aufnahme war bei mir der Tag des Kennenlernens – ich lernte die Stationsärztin, die Schwestern und die Pfleger kennen. Und ich lernte, dass ich sie mit allen Fragen des alltäglichen quälen durfte und sollte – dass die Tabletten zu groß waren, um sie zu schlucken, oder dass ich die grässliche Mundspülung auf keinen Fall dreimal am Tag nehmen konnte (es dann aber doch tat). Und dass die Nachtschwester ab 22 Uhr kam und meine Rettung vor der dunklen Nacht war, indem sie mir täglich leichte Schlaftabletten brachte.

Aber welche Rolle spielt Dein Arzt nun in diesen ersten Tagen in der Klinik?

Mein mich betreuender Arzt war der Chefarzt der Klinik. Er kam fast jeden Tag – allerdings erst gegen Abend. Er fragte mich, ob ich Beschwerden hätte und erklärte mir die nächsten Schritte, insbesondere die Chemotherapie. Eigentlich wusste ich das alles schon, aber ich muss sagen, ich freute mich immer auf den Moment, wenn er kam und fühlte mich sicher und gut versorgt bei dem Gedanken, dass er alles genau registrierte.

Auch in den nächsten Tagen während der Hochdosis-Chemotherapie kam er täglich, jeweils nach einem langen Arbeitstag. An dem Tag vor der Transplantation nahm er sich besonders viel Zeit, erklärte mir die Vorgänge der relativ unspektakulären Transplantation, und prüfte, dass ich keinen Infekt hatte.

Diesen Tag solltest Du Dir im Kalender anstreichen – die Stammzelltransplantation selbst

Tag der Knochenmarktransplantation
Tag 0 – Der Tag der Knochenmarktransplantation

Der Tag 0 ist Dein zweiter Geburtstag. Dementsprechend ist auch die Stimmung, wenn die Schwestern und Pfleger zu Dir kommen. In dieser Phase, nach der Chemotherapie, ist dein Immunsystem zerstört und man fühlt sich wie in einem Raumschiff, weil man nur noch Besucher im Zimmer mit grüner Kleidung, Mundschutz, Haube und Handschuhen sieht. Das ist die Aplasie-Phase, in der die alten Zellen des Immunsystems zerstört sind und die neuen noch nicht angewachsen sind. Eine kritische Phase, in der besonders auf Keimfreiheit und Sterilität geachtet werden muss. Ich war immer beeindruckt, wie routiniert und sicher die Schwestern und Pfleger diesen Ausnahmezustand handhaben.

Auch jetzt sind sie für alle kleinen, häufigen, manchmal plötzlich auftretenden Probleme zuständig. Du darfst und sollst so viel wie nötig klingeln, die Schwestern auf einer KMT-Station werden alles dafür tun, Dir so schnell wie möglich mit Antiemetika zu helfen, wenn es Dir schlecht wird, oder Dir einen Tee kochen, wenn Du Lust darauf hast.

Stimmt – das Trinken, das war bei mir ein Problem. Ich habe stets zu wenig getrunken und wurde von der Schwester darauf aufmerksam gemacht. Ich vereinbarte mit ihr, dass ich morgens eine Riesenkanne Kamillentee bekam, und sie kontrollierte am Nachmittag, ob sie ausgetrunken war. Um mir anschließend eine zweite zu bringen….

Du siehst, Dein Arzt taucht hier für die vielen kleinen Fragen und Angelegenheiten des täglichen Transplantations-Lebens nicht auf. Das kann er auch nicht.

Dein Arzt ist zuständig für alles Medizinische

Es ist nicht so, dass Dein Arzt dich nicht kontinuierlich betreut – er ist nur nicht ständig anwesend. Aber du kannst sicher sein, dass er täglich deine Blutwerte studiert. Dass er auch Deine weiteren Werte, die die Schwestern dokumentieren, überprüft, die Vitalzeichen (Blutdruck, Herzfrequenz, Puls, Fieber, etc.).

Die Pfleger wissen schon sehr viel, wie kleine Probleme behoben werden können und welche Tabletten gegen Kopfschmerzen oder Übelkeit helfen. Aber wenn es hartnäckigere Probleme gibt, ist Dein Arzt der Ansprechpartner.

Er ist derjenige, der eventuell schon hunderte von Transplantationen betreut hat. Deshalb ist die Kommunikation mit ihm für Dich als Patient so überaus wertvoll.

Jede Besonderheit betrifft ihn und sollte mit ihm besprochen werden. Für die Arzt-Patient Beziehung bei einer Knochenmarktransplantation ist es deshalb besonders wichtig, dass beide Seiten ehrlich miteinander sind.

Mein fataler Fehler in der kritischen Phase der Isolation

Ich habe an einem Tag nach der Transplantation, aber noch in der Aplasie Phase (also ohne Leukozyten und Thrombozyten), einen großen Fehler gemacht. Beim Zähneputzen bin ich im Badezimmer gestürzt, fand das peinlich und bin anschließend stillklammheimlich in mein Bett zurück gerobbt.

Arzt und Patient
Ein Sturz in der Klinik kann fatal sein

Diesen Vorfall fand ich nicht bedenklich und beschloss, das Ganze für mich zu behalten. Nach einer halben Stunde des Alleinseins bekam ich jedoch ein schlechtes Gewissen. Vielleicht sollte ich doch jemandem davon erzählen?

Also klingelte ich und berichtete der Stationsärztin von meinem Sturz. Der Aufstand, der danach in meinem Zimmer erfolgte, war fernsehreif. Mehrere Ärzte und Pfleger kamen während der nächsten Stunden im Gänsemarsch in mein Zimmer, überprüften jede Stunde meine Reflexe und Vitalzeichen und ich durfte von da an nicht mehr alleine in das Badezimmer. Ich hatte mittlerweile begriffen, dass ich anscheinend großes Glück gehabt hatte. Erst abends, als mein Arzt zu mir kam, verstand ich, was das Problem war: es ist eine sehr kritische Situation, mit verminderter Thrombozytenzahl einen Sturz mit Kopfverletzung zu erleben – es kann zu Blutungen im Hirn und schwerwiegenden Schäden kommen. Mein Arzt war dafür da, mir diese Situation genau vor Augen zu führen, mich zwar zu beruhigen, dass nichts passiert war, aber gleichzeitig mich auch zu alarmieren, solche Vorfälle nicht zu vermeiden.

Ich habe daraus gelernt, meinem Arzt nichts mehr zu verschweigen.

Die Entlassung und die Zeit danach – Nachsorge

Nach der Entlassung wird Dein Arzt weiterhin Deine Vertrauensperson sein, was Deinen gesamter Gesundheitszustand betrifft. Er schaut sich in regelmäßigen Abständen Deine Blutwerte an. Dabei sieht er Veränderungen und kann entgegensteuern. Er hat sehr viel Erfahrung und wendet diese in der Therapie von allen Vorkommnissen und eventuellen Komplikationen an.

Was er nicht kann:

Er kann nicht in Dich hineinschauen. Und er weiß nicht, wie Du Dich fühlst. Er kreist wie ein Helikopter über Dir als Patient, und weiß um seine Verantwortung, Dich heil aus dieser Situation herauszuführen.

Dein Arzt weiß um Deine fatale Lage während und nach der Transplantation. Aber er hat nicht die Ressourcen, Dich ausführlich psychisch aufzubauen. Dazu hat er zu viele Patienten.

Die Krankenschwester, die mir damals am liebsten war, sagte einmal: „Wir haben immer gesagt, unser Professor sollte mal einmal diese Chemotherapie erleben. Sich einmal diese Infusion anlegen, um zu wissen, was die Patienten fühlen.“

Das ist natürlich unrealistisch. Niemand wird ohne medizinischen Grund einem Menschen das Immunsystem zerstören, damit er diese Erfahrung am eigenen Leibe spürt. Deshalb: Das geht leider nicht.

Mir ist in dem Moment bewusst geworden, dass mein Arzt nicht alles fühlen kann, was ich fühle. Aber dass er trotzdem für alle medizinischen Belange mein erster Ansprechpartner sein wird und mich bein Gesundwerden unterstützen wird.

Was bedeutet das Ganze für Dich jetzt?

Drei Tipps für Deine Beziehung zu Arzt und Pflegern

  • 1. Bereite Dich auf die Gespräche mit Deinem Arzt gut vor. Überlege Dir vorher, bei welchen Fragen er Dir am besten helfen kann. Wenn Du konkrete Fragen hast, machst Du es ihm leichter, Dir gezielt zu helfen und seine leider limitierte Zeit am besten zu nutzen.
  • 2.Wende Dich mit all deinen alltäglichen kleinen Problemen an Deine Schwestern und Pfleger. Sie sind speziell dafür ausgebildet, Dir zu helfen. Und sie haben mannigfache Erfahrung, weil sie tagtäglich mit Menschen in der gleichen Stuation wie Du, zu tun haben.

–              Sie helfen Dir gerne!

  • 3.Vernetze Dich mit Gleichgesinnten. Sprich Dich aus mit anderen Patienten. Dort hast Du ein offenes Ohr von jemandem, der genauso wie Du fühlt – oder schon einmal gefühlt hat, vielleicht vor ein paar Wochen oder Monaten.

Dies ist besonders wichtig, wenn Du aus dem Krankenhaus entlassen wirst und Dich kräftiger fühlst. Dann gibt es Selbsthilfegruppen, die Dir z.B. von deiner Klinik oder einer Psychoonkologin vermittelt werden können.

Austausch mit Patienten
Austausch mit anderen hilft immer

Nun habe ich hier eine lange Geschichte über meine Arzt- Patient Beziehung während meiner Knochenmarktransplantation erzählt. Sie ist natürlich recht lang geworden, weil diese Beziehung ja auch schon seit über neun Jahren existiert. Ich wünsche jedem Patienten, dass die Arzt-Patient Beziehung gleichermaßen auf Vertrauen und Zuversicht aufbaut. Aber vielleicht hast Du ganz andere Dinge erlebt? Dann schreibe es doch hier in den Kommentaren, oder schicke mir einfach eine E-mail.

3 Kommentare zu „Die Arzt-Patient Beziehung bei einer Knochenmarktransplantation“

    1. Liebe Nella, das freut mich, dass Du meine Erfahrungen mit teilst und nachvollziehen kannst. Du hast ja genau dieselbe Therapie hinter Dir. Deine Praktischen Tipps sind sehr wertvoll, danke fürs verlinken hier. Alles Liebe, Annette

  1. Pingback: "Nicht allein auf weißem Flur" - ein ganz besonderer Krebsratgeber

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